Im Gespräch mit Dr. Reimar Schlingensiepen über Unternehmensgründung

Mein heutiger Gesprächspartner ist viel in der Welt herumgekommen. Als Sohn eines Diplomaten verbrachte er seine Kindheit in Südeuropa, Südamerika und im Nahen Osten. Den klinischen Teil seines Medizinstudiums hat er in Frankreich und England absolviert. Die jeweilige Kultur hat er sich über die Sprache erschlossen, so dass er heute – teils fragmentarisch – 6 Sprachen spricht, am liebsten als Kauderwelsch. Die eigene Familie wurde in all dem Wandel zur Konstante. In Syrien und Griechenland erlebte er den Einfluss der Diktatur auf die Menschen. So lernte er die Demokratie noch mehr zu schätzen und kam mit einem veränderten Blick auf Deutschland zurück. Er verbindet damit Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und Kultur. Er stellt sich derzeit die Frage, ob es genug Menschen gibt, die diese Werte ausreichend schätzen, um sich für die Demokratie einzusetzen, die er – auf der ganzen Welt – durch Populisten unter Druck sieht. Dr. Reimar Schlingensiepen ist heute Coach und Unternehmensberater, Interim-Manager und CEO, besonders in den Bereichen Biotechnologie und Medizintechnik.

Wann wirst du als Berater zu Unternehmen hinzugezogen?

Eigentlich immer, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Denn erst, wenn die Hütte brennt, fällt irgendwem – meist einem Investor – mein Name ein. Gerne würde ich früher involviert, aber das wäre zu viel verlangt, weil es ja bis zur vollen Krise noch irgendwie funktioniert. Andererseits sind dann die Wege aus der Krise für alle viel besser spürbar und der Enthusiasmus ist größer. So macht die Arbeit noch mehr Freude, weil ich mehr bewegen kann.
In der Krise ist die Bereitschaft zu Änderungen größer.

Wie siehst du deine Rolle als Berater und wie gehst du vor?

Ich habe einmal mit einem Emeritusprofessor einer Universität im Badischen zusammengearbeitet, der eine eigene Firma gegründet hat. Der hat zu mir gesagt: „Hätte ich Sie nur vor 30 Jahren getroffen. Sie ordnen meinen Kopf mit all‘ seinen Ideen!“ Wenn mir das gelingt, freue ich mich natürlich riesig. Ich schaue mir das Produkt an – in meinem Bereich sind das ja meist Wirksubstanzen für die medizinische Anwendung. Dann sortiere ich, wo es einen Bedarf gibt und wie gut die Substanz in verschiedenen Bereichen abschneidet. Gibt es Anwendungsgebiete mit hohem Bedarf, weil es noch keine Therapien gibt? Gibt es überhaupt Interesse in der Industrie an dieser Therapie? Wie sind die Aussichten auf ein Patent? Können andere die Krankheit kostengünstiger behandeln? Wie schwierig, langwierig und teuer wird die Entwicklung sein? Es ist ein bisschen wie puzzeln. Ich gebe den Gründern verschiedene Mittel und Aspekte an die Hand, mit denen wir die vielen Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.

Bei der Priorisierung von Projekten helfen Scoring-Tabellen, mit denen wir Punkte für jeden Aspekt vergeben. Das hat bisher immer sehr gut funktioniert, vielleicht auch, weil ich den Markt seit vielen Jahren kenne und dementsprechend bei der Bewertung helfen kann.

Was sind die häufigsten Probleme, die du in Unternehmen – die dich zu Rate ziehen – identifizierst?

In allen Phasen der Unternehmensentwicklung ist die Suche nach Kapital ein großes Problem. In den USA wäre das einfacher, in Deutschland ist das schwierig. Dabei ist die Anfangsfinanzierung dank Fonds wie beispielsweise dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) gar nicht so schlecht. Die Schwierigkeiten beginnen für viele erst mit der Anschlussfinanzierung. Ich glaube, der Grund liegt in der Sorge um die fehlende sichere Rendite. Wir hinken in dem Verständnis von Start-up-Finanzierungen den USA mehrere Jahrzehnte hinterher. Dort schaut ein Investor auf sein Portfolio und ist zufrieden, wenn sich von seinen 10 Firmen, 6 lateral bewegen und 1 Diamant herauskristallisiert. In Deutschland neigen wir dazu uns auf die 3 zu konzentrieren, die es vielleicht nicht schaffen werden. Wir sehen also eher das Risiko anstatt der Chance. Daher heißt Venture Capital bei uns auch nicht Wagnis-, sondern Risikokapital. Durch die Erfolgsgeschichte von Biontech beispielsweise verändert sich aber auch bei uns inzwischen das Verständnis.

Es ist aber auch so, dass die Projekte oft so unstrukturiert sind oder sich in die falsche Richtung entwickeln, dass alles auf den Kopf gestellt werden muss, bevor das Projekt überhaupt für die Geldgeber interessant ist.

Auch werden fast immer zu viele Projekte verfolgt. Wer mehrere Hasen jagt, fängt keinen. Wenn wir gemeinsam schauen, wo die Forschung/das Produkt am aussichtsreichsten und der Bedarf am größten ist, kristallisiert sich schnell heraus, was zu tun ist. Dabei erkennt der Wissenschaftler – der geschult ist vorrangig wissenschaftlichen Interessen nachzugehen – dass Priorisierung auf das wirtschaftlich Sinnvolle unumgänglich ist. Das ist halt leider nicht immer das spannendste Projekt. Außerdem kommt nach der hoffentlich aufregenden Forschung noch die jahrelange Entwicklung, also die Fleißarbeit. Die Ausgangssituation ist meist, dass die Firma mit begrenzten finanziellen Mitteln das erste Projekt meistern muss, oder zumindest so weit Fortschritt sichtbar wird, dass der Investor erstmalig oder noch einmal investiert.

Und schließlich gibt es auch noch die Probleme auf der Personalebene. Ein befreundeter Wirtschaftspsychologe hat mir einmal gesagt: „Auch ein gestörtes System ist ein in sich funktionierendes System.“ Das hat mir die Augen für meine Arbeit in manchen Unternehmen geöffnet. Die größte Herausforderung als Berater ist es, in ein Systeme einzugreifen, in dem wesentliche Beteiligte zwar Besserung wollen, aber das System an sich nicht angetastet werden darf, getreu dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Da sind oft Egos am Werk, die ihre Rolle spielen wollen, die dem Unternehmen aber überhaupt nicht gut tut. Da muss man, wenn man Veränderung herbeiführen will, schon sehr sperrig sein.

Wir haben gerade über Investoren gesprochen. Womit steigen denn die Chancen, dass ein Unternehmen anschlussfinanziert wird?

Da geht es zu 50% um das Produkt, das neu und einzigartig ist. Im Falle der Unternehmen, die ich betreue heißt das, es bringt einen medizinischen Nutzen, sei es durch bessere Therapie oder weniger Kosten bei gleicher Wirksamkeit. Dann ist es die Klarheit in der Kommunikation mit dem Investor, damit dieser die Alleinstellung auch sieht. Und die andere Hälfte ist das Vertrauen in die Person des Unternehmers selbst. Ein schlechtes Produkt wird niemand auf den Markt entwickeln können, aber ein gutes Projekt zu versenken, das schafft notfalls jeder. Der Investor sollte also dem Unternehmer zutrauen, das Projekt über die Ziellinie zu führen.

Wie gelingt denn ein gutes Miteinander von Unternehmer und Investor?

Das Wichtigste ist zu verstehen, wo jede der beiden Parteien herkommt. Die Sorgen, Pflichten und Möglichkeiten der anderen Seite zu verstehen hilft sehr, Spannungen zu vermeiden. Gibt es Probleme, dann ist es hilfreich die Positionen beider Seiten zu betrachten, damit konstruktive Lösungswege gesucht werden können. Wenn nicht auf der einen oder anderen Seite ein unüberwindliches Ego sitzt, kann die Zusammenarbeit sehr harmonisch sein. Der Grund für die Haltung des einen, sollte sich dem anderen erschließen, weil nur so Verständnis aufkommt und ein Konsens gefunden werden kann. Am Ende sitzen doch alle im selben Boot und wollen den Erfolg. Mein Vorteil ist, dass ich mich als dritter, unbeteiligter Partner oft einfacher in die Positionen der Parteien hineinversetzen kann und mir Probleme leichter kommuniziert werden.

Gibt es ein wiederkehrendes Thema, das dir speziell bei Unternehmensgründungen auffällt?

Es gibt tatsächlich ein Thema, das überall mit drin steckt: Furcht. Genauer: Die Furcht vor der falschen Entscheidung, weswegen sie lieber nicht gefällt wird. Falsche oder keine Entscheidungen aus Angst vor den wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Konsequenzen, aber auch die Furcht vor den Geldgebern, und so weiter. Ich beobachte, dass diejenigen, von denen eine Entscheidung erwartet wird, sich ihrer Furcht oft gar nicht bewusst sind, im Gegenteil! Sie halten sich sogar selbst für unerschrockene Kämpfer. Die Furcht ist der Elefant im Raum, während sich die Beteiligten im Disput ergehen.

Man muss Gründern aber auch zugutehalten, dass sie alles zum ersten Mal machen. Sie werden in Schule und Universität in keiner Weise darauf vorbereitet, was es heißt, ein Unternehmen zu gründen – was noch einfach ist – gemessen daran es zu führen und zu entwickeln. Wem soll das denn nicht Respekt einflößen?

“Mein Job ist, Menschen in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zu treffen.”

Also mit Kriterien aber auch damit, ihnen vor Augen zu führen, welche Konsequenz eine Entscheidung, vor allem aber eine Nicht-Entscheidung haben kann. Was ich im Übrigen den Gründern im Umgang mit ihren Mitarbeitern auch mitgebe: Baue auf das Können deiner Mitarbeiter, entwickle sie weiter, damit sie über sich hinauswachsen und dich noch besser entlasten können! Nur so kommt das Unternehmen vom Fleck.

Was müsste sich Deiner Meinung nach ändern, damit Gründer nicht ganz so ins kalte Wasser gestoßen werden?

Eigentlich müsste es in allen Studiengängen Module zur Selbstständigkeit und zur Führung von Menschen geben. Egal, ob ich als Linguist ein Übersetzungsbüro gründe oder mich als Mediziner niederlassen will, ob ich in der Uni oder einer Firma ein Team leiten muss, dieses Wissen bräuchte jeder. Aber unsere Lehranstalten sind fast ausschließlich auf akademisches Wissen ausgerichtet. Klassisches Beispiel sind die Lehrer, denen 12 Semester Fachwissen eingebläut wird, sie aber ohne pädagogische Ausbildung mit Schülern umgehen können sollen. Oder eben der Gründer, der laut Gesetz ab der ersten Sekunde „kaufmännische Sorgfalt“ walten lassen muss. So muss jeder von uns ohne hilfreiches Vorwissen die Fehler der anderen wiederholen. Das ist schon schade.

“Wenn alle wüssten, dass Führungswissen und Unternehmertum nicht nur für Gründer, sondern für uns alle wichtig ist, wäre die Akzeptanz vielleicht höher.” 

Gibt es gängige Mythen, Glaubenssätze oder Erwartungen von Gründern, mit denen Du gerne aufräumen möchtest?

Viele Gründer meinen, dass die Welt ganz ungeduldig auf das Produkt wartet, dass Investoren sich kaum bändigen können, ihr Unternehmen zu finanzieren. Und schließlich: Dass es ohne den Gründer niemals auf Dauer laufen wird. Letzteres ist aber nur der Fall, wenn der Gründer sich fortwährend weiterentwickelt und mit dem Unternehmen und der Verantwortung wächst. Das ist einerseits der große Reiz, andererseits verlangt es den Menschen viel ab. Als ich das erste Mal Geschäftsführer wurde, sagte mir ein Mitarbeiter mit langjähriger Pharmaerfahrung nach einiger Zeit, dass er anfangs über meinen Mangel an Führungswissen beunruhigt war, dann aber gesehen hat, dass ich mich den Aufgaben gestellt habe, also mit der Zeit den Aufgaben immer mehr gewachsen war. Das war ein tolles Kompliment.

Gründern mangelt es zu Beginn der Tätigkeit oft an der Augenhöhe mit Verhandlungspartnern. Wie verschafft man sich als Gründer Respekt?

Problemlösungen schaffen Respekt. Oft gibt es im Managementteam jemanden, der den Geldgebern fortwährend von den aktuellen Problemchen berichtet, statt erst einmal selbst an der Lösung zu arbeiten. Das schafft nichts als Unruhe und Zweifel am Managementteam. Es ist eine schwierige Balance, den Zeitpunkt zu finden, bis zu dem die Unternehmer das Problem erst einmal aus der Welt schaffen sollten und ab wann sie z.B. die Investoren hinzuziehen sollten. Diese Kompetenz zu stärken ist einer meiner Schwerpunkte. Es ist damit wie Gehen lernen, „von Fall zu Fall“. Mit jedem gelösten Problem wächst das Vertrauen, dass ich es kann. Hier hilft also vor allem die Praxis und eben der Mut zur Entscheidung.

Was ist deine Lieblingsfrage, die du in Unternehmen stellst?

„Was verlieren wir, wenn wir das versuchen?“ Ich erlebe es sehr häufig, dass ich auf Widerstände stoße, weil „ein bestimmter Punkt sowieso von den Verhandlungspartnern abgelehnt werden wird“. Die Wahrheit aber ist, dass wir in den meisten Fällen nichts verlieren, sondern schlimmstenfalls nichts, meist aber wenigstens etwas gewinnen. Dann doch lieber machen! Ein Beispiel: Es gab Drittmittel für ein Projekt, in dem alle Schritte bereits erfolgt waren, ein weiterer Mittelabruf also nicht möglich war. Im Topf waren aber noch mehrere hunderttausend Euro. Ich habe also gesagt: „Warum fragen wir nicht, ob wir die umwidmen können?“ Fast schon mitleidig wurde mir beschieden: „Das können wir nicht! Das wird sowieso abgelehnt. Wir kennen uns da aus“. Also habe ich gefragt, was wir verlieren, wenn wir es versuchen? Schließlich haben wir gefragt und die Förderstelle war begeistert von unseren Ideen. Selbstverständlich haben wir das Geld bekommen. Also einfach versuchen und nicht von vorne herein ein Projekt zum Scheitern verurteilen, indem ich sage „da gibt es keine Chance, ich versuche das nicht!“Aus meiner Erfahrung heraus tritt der „worst case“ fast nie ein, der Versuch lohnt also immer.

Gibt es eine Art Fahrplan für erfolgreiche Unternehmensgründung? Was wären Punkte, die Du in eine solche Roadmap unbedingt hineinschreiben würdest, um gängige Fehler oder Probleme zu vermeiden?

Da gibt es keine Schablone, aber ein paar grundsätzliche Tipps: Bei der Gründung sollte man wirklich nur den Personen Anteile geben, von denen man weiß, dass sie wichtig sind und vor allem dabei bleiben werden. Wenn Mitgründer sich früh operativ verabschieden, bleiben sie trotzdem über ihre Anteile am Erfolg beteiligt. Das kann die verbleibende Mannschaft durchaus verbittern. Das habe ich öfter gesehen. Besser ist es, verbindlich Anteile in Aussicht zu stellen, wenn klar ist, dass das Team gemeinsam durch dick und dünn geht und sich versteht. Nach der Gründung ist es die Diskussions- und Streitkultur, die dem Fortschritt und der Problemlösung dienen muss. Sonst ist sie nur destruktiv und führt zum Stillstand. Ich erlebe immer wieder, wie viel Potenzial und Arbeitskraft ich bei den Personen freisetzen kann, wenn sie aufhören, ohne Fortschritt zu streiten und mit Schuldzuweisungen aufhören, einfach, weil Probleme angegangen und beseitigt werden. Glaube mir, die Leute schlafen dann auch wieder besser.

Welche Eigenschaften sollte ein Unternehmensgründer deiner Meinung nach mitbringen und welche Fähigkeiten wären gut sich anzueignen, wenn das Abenteuer gelingen soll?

Bescheidenheit insofern, als der Gründer selbst nur einen Teil der Aufgaben lösen kann. Anders ausgedrückt: Vertrauen in fähige Mitarbeiter zu haben und die Fähigkeit, diese zu motivieren mit einem zusammenzuarbeiten.

Außerdem: Das eigene Tun in Frage zu stellen und einen besseren Weg zu suchen, wenn es nicht richtig weitergeht. Das setzt voraus, dass ich in einem Umfeld agiere, das offene Diskussion und Kritik zulässt. Dann sollte ich auch den Mut haben, eine falsche Entscheidung zuzugeben und Korrekturen vorzunehmen.

Transparenz und Ehrlichkeit sind besonders entscheidend, wenn sich Strategien ändern, damit diese auch nachvollziehbar sind.

Es braucht den Willen nicht still zu stehen, Spaß an der Veränderung, Mut zur Konfrontation und die Bereitschaft sich von Lieblingsprojekten zu verabschieden, wenn sie nicht zum Erfolg der Firma beitragen. Klingt vielleicht einfach, ist es aber nicht.

“Dafür gibt es die Aussicht auf einen niemals langweiligen Job und darauf, sein eigener Chef zu sein und vor allem vielleicht etwas Gutes mit den Produkten zu bewirken. Also etwas zu hinterlassen, was es ohne einen nicht gegeben hätte.”

In Deutschland haben wir keine Kultur des erfolgreichen Scheiterns. In USA ist das anders. Hast Du aus Deiner Erfahrung heraus den Eindruck, dass gescheiterte Unternehmer in Deutschland wieder auf die Beine kommen? Anders gefragt: Gibt es in Deutschland genug Gründergeist?

Wenn man den Statistiken trauen darf, nimmt der Gründergeist ab. Aber ob dem wirklich so ist, weiß ich nicht. Es heißt ja auch oft, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit nähmen ab. Ich bemühe mich immer nach Kräften, diese trostlosen Aussichten am eigenen Leibe nachzuvollziehen und treffe auf so viele nette, hilfsbereite Menschen in allen Teilen Deutschlands und anderen Ländern. Und so hoffe ich auch, dass der Gründergeist doch besser ist, als es die Demoskopen unken. Denn ohne ihn gäbe es auf Dauer keine Zukunft. Dass der gescheiterte Gründer beim nächsten Versuch Entscheidendes besser macht, ist sicherlich richtig. Daher bleibt nur zu hoffen, dass er in Deutschland wertgeschätzt wird. Ich denke, ganz so schlimm wie vor 10 oder 20 Jahren ist das auch nicht mehr. Wenn die Persönlichkeit stimmt, wird es eine zweite Chance geben.

Was sind deine wichtigsten Tipps für Menschen, die mit der Selbstständigkeit liebäugeln, sich aber nicht trauen, den ersten Schritt zu tun?

Zuerst sollte die Gründerin oder der Gründer schauen, ob das Produkt etwas ist, das wirklich gebraucht wird. Also: gibt es einen ausreichenden Markt? Dann schauen, ob es erfahrene Gründer gibt, mit denen das Unterfangen durchgesprochen werden kann. Wenn es niemanden interessiert, sollte ich in mich gehen… Aber in der Regel wird es Interesse geben mit hilfreichen Tipps, Adressen aus dem Netzwerk, z.B. von Geldgebern und so weiter. Das Gründen selbst ist ja nicht so schwierig. Darüber hinaus gibt es ja auch ausreichend Gründungsprogramme wie Go-Bio oder m4-award. Einen Businessplan sollte ich frühzeitig erstellen und zwar nicht nur für Investoren, sondern auch für mich selbst. Dann wird mir klar, wie viel Geld, welche Zeit, welches Team es braucht, welchen Wettbewerb es gibt, bevor ich den Traum verwirklichen kann. Wenn alles passt, dann sollte gegründet werden. Notfalls muss das Projekt auch scheitern dürfen. In der GmbH ist das auch nicht der Weltuntergang. Wenn ich formale Dinge beachte, gilt ja die «beschränkte Haftung», eben damit Menschen sich leichter trauen, zu gründen. Manchmal merken angehende Gründer auch, dass sie doch lieber an der Universität bleiben und niemanden finden, der für sie die Unternehmensführung übernehmen will. Dann wird es das schöne Produkt nie geben. Aber das ist dann eben auch gut überlegt und in sich richtig. Denn Unternehmen gründen und Gründer/-in sein fordert ganz und gar.

Vorgestellt – Dr. Reimar Schlingensiepen

Dr. Reimar Schlingensiepen, Themeos Unternehmensberatung, ist Arzt mit 30 Jahren Erfahrung in der Medizin und der biopharmazeutischen Industrie und Medizintechnik, sowohl als Gründer und Manager zahlreicher Unternehmen, als auch als Studienarzt und in der Notfallmedizin. Er ist als Interimmanager, (Interim-)CEO, Coach und Unternehmensberater in der pharmazeutischen Industrie tätig. Schwerpunkte sind Unternehmensführung, Krisenmanagement, klinische und präklinische Forschung & Entwicklung, Verhandlungen, Mitarbeiterführung sowie Lehre und wissenschaftliche Vorträge.

Dr. Schlingensiepen ist per Mail erreichbar unter info@themeos.de.

Die Themeos Unternehmensberatung im WWW: https://themeos.de/

Dieses Interview ist Teil meiner Serie “Im Gespräch mit…” von und für Menschen die inspirieren, vernetzen, verändern und eine positive Einstellung ins Leben tragen.

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Im Gespräch mit: Lilli Mixich – über Freiheit

“Ich visualisiere meinen Glückspunkt – Das trägt mich zu diesem Ziel hin” 

Die Frau in bunten Kleidern und einem farbigen Zopf im weißblonden Haar fiel mir auf dem Festival für Afrika-Freunde sofort ins Auge. Eigentlich heißt sie Elisabeth Karolina Mixich und ist im tiefsten Bayern aufgewachsen. Schon in jungen Jahren selbstbewusst, hat sie sich nach dem Schlagervorbild ihrer Mutter, Lili Marleen, umbenannt. Den Nachnamen verdankt sie ihrem rumänischen Vater. Sie hat erst geheiratet, als es für Frauen möglich war, ihren eigenen Namen zu behalten. Während zahlreicher Besuche bei den Verwandten in Rumänien, kam sie mit dem „fahrenden Volk“ in Berührung, hat mit ihnen gerastet und am Feuer gesessen. Schon als Kind fand sie diese mobile Lebensweise im eigenen Fahrzeug faszinierend. Heute bereist sie als Frau alleine Afrika in ihrem 30 Jahre alten Toyota Land Cruiser. Als Social Media-Inspirer nimmt sie ihre Follower zu den einsamsten Plätzen und den wildesten Abenteuern mit.

Dein Pseudonym auf Facebook ist Lilli Pilli. Was hat es damit auf sich?

Ich bin Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) und habe gelernt Pillen zu drehen. In der Apotheke haben sie gesagt „Lilli Pilli, mach mal die Pillen!“ Als ich einen Facebook-Namen gesucht habe ist mir dieser alte Spitzname wieder eingefallen.

ELISABETH bedeutet übrigens „ich schwöre.“ Eine Elisabeth steht zu den Dingen die sie macht und übernimmt Verantwortung. KAROLINA bedeutet „die freie Frau“.  Ich finde interessant, wie der Name aufs Leben passt und auf das was einem wichtig ist. Bei mir jedenfalls ist der Name Programm.

Gab es ein Schlüsselerlebnis das dich zum Reisen gebracht hat?

Als ich meinen ersten Langzeitpartner Willi kennen gelernt habe, hatte dieser gerade eine Reise mit seinem VW-Käfer nach Venedig geplant und hat mich spontan eingeladen. Ich dachte „Bingo, das ist genau das Richtige!“ Vom Campingplatz aus habe ich über das Meer geschaut, diese Freiheit gespürt und gedacht: „Das ist das was ich will, das freie Leben, hinter den Horizont schauen! Ich will raus und wissen was hinter der nächsten Ecke kommt.“

Wie kommt es, dass du dich hauptsächlich in Afrika bewegst?

Willi und ich haben das Reisen zusammen entwickelt und entdeckt. Wir haben mehrere Afrika-Reisen unternommen und ich habe damals gefühlt: „Das ist mein Kontinent.“ Wir waren beide vom Afrika-Virus befallen. Es war wie „nach Hause kommen”. Die Schwarzafrikaner waren herzlich und humorvoll und ich habe mich angenommen gefühlt. Wir haben damals beschlossen „in den Sack“ zu hauen, alles aufzulösen, die Möbel unterzustellen und open-end zu reisen. Das war genau das, was ich schon immer wollte.

Hattest du nie Angst vor dem schwarzen Kontinent?

Ich bin neugierig und finde Ungewissheit spannend, solange sie mich nicht existenziell bedroht. Ich wollte z.B. auf der Michelin-Karte dort hin wo alle Wege aufhörten. Oder besser, wo inmitten des Urwalds im Zentrum des afrikanischen Kontinents ein kleines Stück Asphalt eingezeichnet war. Ich wollte wissen, warum in der Mitte von Nichts ein Stück Straße ist. Wir sind an dem Versuch allerdings gescheitert, weil wir in der Regenzeit unterwegs waren und die Pisten unpassierbar wurden.

Ich kenne aber auch den Kontrollverlust. Wir haben uns z.B. einmal in der Sahara verfahren und waren am „point of no return“, also an einem Ort (abseits der regulären Route) wo wir entscheiden mussten, ob wir umkehren oder weiterfahren – in der Hoffnung, die nächste Piste mit dem verbleibenden Sprit zu erreichen. Damals waren wir mit zwei Fahrzeugen unterwegs. Ich mit drei Männern. Und die Herren haben entschieden, dass wir weiterfahren. Da hatte ich tatsächlich Todesangst, weil ich das Gefühl hatte, dass die anderen über mein Leben entscheiden. In dem Moment hatte ich auch Angst vor der Ungewissheit. Es ist damals alles gut gegangen, wir haben die Haupt-Piste erreicht ohne Sprit von einem Fahrzeug ins andere umzupumpen, aber ich hatte die schlimmste Zeit meines Lebens.

Du hast in Südafrika gelebt, als Nelson Mandela zum Ministerpräsident gewählt wurde. Hast du diese Zeit als Moment der Befreiung für das Land erlebt?

Die Aufbruchsstimmung, die davon ausging, war in unserem Wohnviertel stark zu spüren, in Kaffees bei den Studenten und in den Theatern. In Downtown habe ich auf dem Weg zur Arbeit aber auch die Demonstrationen des ANC (African National Congress) miterlebt und wie mit Tränengas und Schusswaffen gegen die Demonstranten vorgegangen wurde.

Ich fand gut was damals passiert ist und habe mich selbst auch nie bedroht gefühlt. Wir sind den Menschen respektvoll begegnet und freundlich, daher hatte ich nie Grund  Angst zu haben. Vielleicht lag das auch daran, dass ich mich automatisch den Menschen angeschlossen habe die in dieser Zeit in Aufbruchsstimmung waren. Es gab unglaublich viel positive Energie und ein großes Potenzial. Da war so etwas wie eine Energie-Potenzierung spürbar, die fast größer war, als die Ereignisse selbst. Im englischen sagt man Vibes – Schwingungen. Ich finde das trifft es. Ich fand sehr spannend diesen Umbruch persönlich mitzuerleben.

Interessant fand ich auch, was damals in den Beziehungen zu den Nachbarländern passiert ist. Das rassistische Südafrika hatte bislang isoliert am Kap gelegen, weil niemand etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Jetzt, nach dem Regierungswechsel wollten die Nachbarländer am Aufschwung partizipieren. Aber die Träger der Wirtschaftskraft, die ja immer noch hauptsächlich weiß waren, trauten sich nicht sich zu öffnen. Das war ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas.

Wenn ich jetzt durch Afrika fahre spüre ich manchmal noch diese Aufbruchsstimmung von damals, allerdings sind auch viele Entwicklungen ausgebremst worden. Was ich beobachte ist, dass durch die Erteilung der Berechtigung auf Ämter und Positionen in der Industrie – dem sogenannten Entitlement per Quote – viele Südafrikaner in Positionen kommen, für die sie weder eine Qualifikation noch ein echtes inhaltliches Interesse haben. Das hat der Entwicklung des Landes eher geschadet.

Zurück in Deutschland hast du mit deinem zweiten Partner zusammen den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Was war euer Erfolgskonzept?

Wir hatten beide sehr gute Reiseerfahrung und er konnte diese handwerklich umsetzen. Außerdem hatten wir eine Werkhalle und das Werkzeug. Das war im Grunde genommen das Startkapital für unser Business. Wir haben in der Selbstständigkeit aus unseren Begabungen ein Geschäft gemacht und so Alu-Star gegründet. Zunächst haben wir kleinere Geländewagen ausgebaut und dann große LKW zu Expeditionsmobilen umgebaut. Das hat eingeschlagen und war sehr erfolgreich. Warum? Weil wir mit unserer Erfahrung die Träume anderer Menschen zu Realität werden ließen. Menschen haben unsere Philosophie mitgekauft. Was ich daraus gelernt habe ist:

“Jeder der die Fähigkeit hat – aufgrund von Erfahrung und weil er etwas gerne tut – die Ideen, Wünsche und Vorstellungen anderer Leute aufzugreifen und zu realisieren, hat ein funktionierendes Geschäftsmodell. Wer anderen hilft, ihre Ideen zum Leben zu erwecken, der kann damit Geld verdienen.” – Lilli Mixich

Mit den LKW sind wir mit unserem Business allerdings in die Hochpreisschiene gerutscht und damit begann für uns das Problem, denn wir hatten Kunden mit viel Geld, die dachten sie kaufen nicht nur das perfekte Fahrzeug, sondern sie kaufen auch uns. Wenn sie unterwegs Probleme hatten, wollten sie uns einfliegen, statt ihr Fahrzeug selbst zu beherrschen. Wir mussten also viel von unserer Kraft, eigenen Energie und unserer Lebenszeit geben. Und dafür war uns das Leben dann doch zu kurz. Daher sind wir an dem Punkt als wir uns eigentlich hätten vergrößern müssen, mit 45 Jahren, ausgestiegen und waren danach 10 Jahre lang in der Welt unterwegs. Mit meinem zweiten Partner habe ich das Langzeitreisen perfektioniert.

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In deiner Lebensmitte kam die Krise und du hast sie als Chance zur persönlichen Freiheit genutzt. Wie kam es dazu?

Unsere Ehe scheiterte letztlich an sich ändernden Lebensvorstellungen. So haben wir uns schließlich getrennt. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass ich mit 55 Jahren alleine und mit wenig Geld dastehen würde. Ich hatte immer Ideen für uns beide gehabt oder für andere Leute. Jetzt stand ich vor der Situation dass ich mir zum ersten Mal für mich selbst überlegen musste was ich jetzt mache. Ich wusste nicht was ich kann und wozu ich fähig bin. Darüber hatte ich nie nachgedacht. In Konstellation mit anderen hatte ich bisher immer meine Talente eingebracht, aber ich war mir dieser Talente einfach nicht bewusst.

Jetzt wäre es natürlich eine Alternative gewesen wieder als PTA zu arbeiten. Zehn Jahre bis zur Rente. Dann verdienst du was, aber du musst da leben, wo du einen Job bekommst, ohne soziales Umfeld und kannst gerade deine Rechnungen bezahlen. Und an der Rente, bei der ich sowieso so große Lücken habe durch die Reisen, hätte sich kaum etwas geändert. Da dachte ich: “Nein, dann kannst du dich gleich erschießen!” Ich war 10 Jahre unabhängig unterwegs. Einen Job als Angestellte konnte ich mir nicht mehr vorstellen.

Also habe ich einen neuen Plan gemacht. Dabei war mein Motto: 1. „start where you are – beginne dort wo du bist.“  Wir hatten drei Autos auf drei Kontinenten. Das in Australien haben wir verkauft. Mein Partner hat das in Europa behalten und ich habe den Toyota Land Cruiser in Afrika übernommen. Der 2. Schritt war „use what you have – nutze was du zur Verfügung hast.“ Also war klar, ich mache meine Reisen jetzt in Afrika mit dem Toyota. Hier hat mir geholfen, dass ich einen sehr starken Willen habe. Und schließlich 3. „do what you can – tu was du kannst.“ Ich hatte immer Angst vor allem technischen und fahrtechnischen. Und ich war gut im Verdrängen. Aber dem Auto muss es gut gehen, denn das ist mein Vehikel für meine persönliche Freiheit. Also habe ich irgendwann die volle Verantwortung dafür übernommen und bin vorausschauender geworden. Das heißt nicht, dass ich jetzt Automechanikerin bin, ich mache mir nicht so gerne die Finger dreckig. Aber ich sorge dafür, dass der Wagen gut gewartet und in gutem technischen Zustand ist, so dass ich auch in abgelegene Gebiete fahren kann, ohne nochmal einen Kontrollverlust erleben zu müssen.

Die andere Seite ist: Das Poppo-Feeling das es braucht, um durch Sand oder Schlamm zu fahren, musst du selbst erleben, das kann dir niemand beibringen. Ich habe das mit 55 Jahren gelernt, weil ich jetzt auf dem Fahrersitz saß und selber stecken geblieben bin. Zu zweit ist das etwas anderes, weil man sich mental stützen kann. Ist ein Mann dabei, ist der meist kräftiger und kann anders agieren. Aber ich kann nicht bei 45 Grad ein Auto ausbuddeln. Also habe ich Angst davor, solche Strecken zu fahren. So bin ich gezwungen nach Lösungen zu suchen, z.B. indem ich mich für kurze Zeit einer Gruppe anschließe, um solche Strecken gemeinsam zu fahren.

“Wenn ich im Toyota sitze und das Steuer in der Hand halte bin ich an meinem Glückspunkt. Ich visualisiere das. Ich sehe die Landschaft vor mir. Meine mentale Stütze ist, dass ich das erreichen will. Und ich habe das Gefühl, dass diese Reisen mich und meine Persönlichkeit jetzt vervollständigen. Also kann ich nur vertrauen haben ins Leben und in die Menschen, die es gut mit mir meinen. Das trägt mich zu diesem Ziel hin.” – Lilli Mixich

Für viele Frauen ist die Börse ein Buch mit sieben Siegeln. Dein Finanzmodell war und ist auf Börsenkapital aufgebaut. Liebst du auch beim Thema Geld das Risiko?

Mein zweiter Partner und ich hatten über einen Finanzberater an der Börse spekuliert und dabei zwei Crashes miterlebt, den ersten bei 9/11 und den zweiten im Jahr 2008. Unser Kapital hat sich dadurch sehr reduziert und der Plan von den Zinsen zu leben hat natürlich nicht mehr funktioniert. Aber ich habe den Teil der für mich nach der Trennung übrig war wieder angelegt und dann unheimliches Glück gehabt.

Ich habe auch in Afrika mehrfach als Lodge Managerin gearbeitet und dabei genug Geld verdient, um weiter reisen zu können, ohne mein Kapital angreifen zu müssen.

Wenn ich irgendwo investieren will, dann schaue ich mir die Firma vorher an. Es gibt ja Kriterien nach denen man den Wert beurteilen kann. Das ist erlernbar. Meist beobachte ich die Firmen eine ganze Weile. Außerdem schaue ich, was für mich ethisch vertretbar ist. Goldminen oder seltene Erden sind z.B. etwas, worin ich niemals investieren würde, weil ich die Folgen davon in Afrika mitbekomme. Damit kann ich mich nicht identifizieren. Da ich aber aus der Pharmazie bin, investiere ich z.B. in Pharma-Werte. Ich investiere auch in Technologien der Zukunft oder Energien der Zukunft, Ideen die ich verstehen kann und an die ich glaube.

Für jemanden der nicht so gebunden sein will wie ich, für den ist der Kapitalmarkt perfekt, weil ich Geld einsetze, ohne viel dafür tun zu müssen. Wenn ich eine Immobilie hätte, dann müsste ich mich darum kümmern. Das lässt sich mit dem Reisen nur schwer vereinbaren. Ich hatte auch nie Versicherungen oder einen Sparvertrag, damit ich keine Fixkosten habe, die ich auch bedienen muss in Zeiten in denen ich nichts verdiene. Das lief allerdings eher unbewusst ab.

Du bist heute sehr erfolgreich auf Social Media aktiv. Welche Tipps hast du für Solo- und Kleinunternehmer die sich noch schwer tun?

Ich bin als Frau aus dem Schatten meines Mannes getreten, als wir uns getrennt haben. Zuvor hatte ich mich nie öffentlich gezeigt und mehr im Hintergrund gehalten. Als ich dann alleine war, war ich auf mich zurückgeworfen. Also musste ich erst einmal sehen  „Wer bin ich überhaupt?“ Einflüsse von außen haben mich darin bestärkt meinen Traum von Afrika zu leben und so habe ich auch angefangen, auf Social Media aktiv zu werden, mich zu zeigen. Zunächst erst wenig, über Facebook unter dem Pseudonym Lilli Pilli.

Am Anfang bestand meine „Community“ aus Menschen die ich kannte. Dann habe ich mich verbandelt mit Fotografen und anderen Globetrottern. Ich sehe meine „Timeline“ als Inspiration und deshalb verbinde ich mich auch mit Leuten, die mir diese Inspiration geben können.

Ich binde über meine Sichtbarkeit meine Follower ein in mein Leben. Manche sind dann so fasziniert von dem was ich tue, dass sie mir in schwierigen Situationen helfen, z.B. als ich neue Reifen brauchte. Da hat sich jemand angeboten Unterstützer zu finden, was auch geklappt hat. So werde ich dann auch in Orte eingeladen, in die man nicht so ohne weiteres kommt.

Ich finde es z.B. wichtig auf Facebook in Gruppen zu sein und sich dort auch zu engagieren. Inzwischen bin ich Mit-Administratorin für eine Gruppe deutschsprachiger Afrika-Reisender. Manche können sich in der Muttersprache doch besser verständlich machen. Und Ellen, ,eine andere allein reisende Frau, die ich in unterwegs in Afrika kennengelernt habe, hatte die Idee zu der Gruppe „Afrika auf eigene Faust“. Zusammen haben wir so viel Erfahrung und gute Kontakte, dass Gruppenmitglieder davon profitieren können.

Was bei mir auf Instagram am besten funktioniert sind Bilder von meinem archaisch anmutenden Auto und Aufnahmen von mir selbst. Ich finde ein Bild ohne persönliche Geschichte allerdings wertlos. Deshalb erzähle ich auf Instagram die Geschichte hinter dem Foto das ich poste, denn das bringt erst die Emotionalität. Das ist das, was die Leute mitnimmt. Ich klicke selbst bei den Accounts denen ich folge immer auf den Text, weil ich sehen will, was die Person zu dem Bild schreibt. Das macht die Aufnahme für mich erst spannend. Bilder ohne Text bekommen von mir keine Likes. Ich halte Geschichten zu erzählen (Storytelling) für ein sehr gutes Konzept, um Menschen auf sich aufmerksam zu machen.

Menschen kommen bei Instagram über die Hashtags auf dich, nicht über dein Profil. Daher ist es meiner Meinung nach auch wichtig so viele Hashtags wie möglich zu verwenden. Ich benutze immer die maximale Zahl von 30. Wenn mir Beiträge von anderen Menschen gefallen, dann fotografiere ich die Hashtags darunter ab und mache Recherche. Ich analysiere also z.B. wie viele Beiträge ein Hashtag schon hat. Gute Hashtags haben mehrere Tausend Beiträge. Bei Beiträgen im Millionen-Bereich wäge ich ab, ob ich sie benutze. Das kommt dann auf das Bild an. Ein Sonnenuntergang braucht nun mal den Hashtag “sunset”. Wichtig ist, dass die Hashtags zu dem passen, was ich mit dem Bild wirklich sagen will. Ich stelle damit auch eine Emotionalität her.

Ich habe Listen von Hashtags für verschiedene Szenarien die ich kontinuierlich benutze und immer wieder aktualisiere. Meine Kategorien sind: Auto, Landschaften, Wildlife und Selfies. Wenn es z.B. um das Auto geht, dann kommen Fahrzeug-spezifische Hashtags vor wie etwa “Toyota Land Cruiser” oder “4×4” oder “adventure”. Wenn ich auf dem Bild zu sehen bin, verwende ich z.B. “woman overlanding the world”.

Was ist dein Tipp für Menschen, die frei sein wollen so wie du, sich aber nicht trauen?

Ich bin ein Kontroll-Freak. Also habe ich mir zuerst den finanziellen Rahmen geschaffen, um meinen Traum zu verwirklichen, vor allem auch durch konsequentes Sparen. Ich pflege Minimalismus und überlege genau ob ich Dinge wirklich brauche. Vielleicht ist es hilfreich mit kleinen Schritten zu beginnen. Und dann kann ich empfehlen einen Termin zu setzen. Vieles ergibt sich auch einfach.

“Der Weg zeigt sich, wenn man ihn geht.”

Liebe Lilli, ich danke dir für dieses Gespräch!

Ja bitte, gerne!

Vorgestellt – Lilli Mixich

Auf den vom Elternhaus vorgegebenen Realschulabschluss folgte die Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen Assistentin. Das Abitur hat Lilli im Tageskolleg in drei Jahren später nachgeholt.  Sie hat in diversen Jobs in unterschiedlichen Ländern in Afrika gearbeitet. Mit ihrem Ehemann zusammen betrieb sie in Deutschland die Firma Alu-Star. Seit sie 55 Jahre alt ist, lebt sie ihren persönlichen Traum von einem freien selbstbestimmten Leben als Vollzeitnomadin.

Ihr könnt ihren Abenteuern folgen: Auf Instagram ist sie als @lillitogo zu finden, auf Facebook als @Lilli Pilli.

Dieses Interview ist Teil meiner Serie “Im Gespräch mit…” von und für Menschen die inspirieren, quer denken, vernetzen, verändern und eine positive Einstellung ins Leben tragen.

Sie möchten jemanden aus Ihrem Netzwerk vorschlagen, dessen Stimme gehört werden sollte? Dann schreiben Sie mich gerne an!

Heike Specht