Im Gespräch mit Prof. Jean Nordmann über humanitäre Arbeit

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Geboren in La Chaux-de-Fonds, einer kleinen Stadt in der Schweiz, in den Bergen des Juras, verbrachte Jean Nordmann eine behütete Kindheit. Zum Skifahren musste er lediglich vor die Tür seines Elternhauses treten. Sein Vater besaß – sehr klassisch – eine Manufaktur für Schweizer Uhren. Er wuchs mit einer älteren Schwester auf, die ihm bereits im Alter von fünf Jahren das Lesen beibrachte.

Er studierte eine Mischung aus Medizin und Biologie. Ein Studiengang, der darauf  abzielte, junge Forscher auszubilden. Da er sich während des Studiums recht schnell langweilte, fragte er den Laborleiter einer bekannten Abteilung der Medizinischen Fakultät, ob er in einem der Teams seiner Abteilung arbeiten könne. So landete er in der Neurobiologie. Nach einer bemerkenswerten Karriere als Laborleiter und Professor beschloss er im Alter von 44 Jahren sein Institut zu verlassen, um sich der humanitären Arbeit zu widmen. Mehr als 20 Jahre lang arbeitete er als Delegierter und Missionsleiter für das Internationale Komitee des Roten Kreuz, für die UNO und verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Er war in vielen afrikanischen Ländern sowie in Papua (Indonesien), Afghanistan und Ex-Jugoslawien stationiert. Heute betreibt er als Pensionär ein Bead & Breakfast in Basel. So haben wir uns kennengelernt. Ich verbrachte meinen Geburtstag bei ihm, den er in ein besonderes Erlebnis verwandelte.

Wir haben das Interview auf Englisch geführt, der Wissenschaftssprache die uns beide verbindet. Den Beitrag im Original kannst du dir als PDF hier ansehen.

ACHTUNG! Trigger-Warnung: Wir werden im Verlauf des Gesprächs mehrfach auf den Krieg zu sprechen kommen. Die Inhalte sind möglicherweise für sensible Menschen schwer zu verkraften.

Was haben Sie als Neurobiologe erforscht und hat es Sie fasziniert?

Wir wollten herausfinden, wie Nervenzellen miteinander und mit Zellen aus anderen Geweben kommunizieren. Man muss verstehen, dass die Menschen dazu neigen Wissenschaft in einem falschen Licht zu sehen. Neunundneunzig Prozent der Zeit macht man langweilige Arbeit, man muss ein Experiment immer und immer wieder wiederholen, und erst am Ende hat man das Vergnügen, die Daten zu analysieren. Erst dann wird die Arbeit wirklich interessant.

Ich hatte Glück, denn ich wurde schon in jungen Jahren zum Professor ernannt. Ich muss zugeben, dass ich liebte was ich tat, ich war praktisch mit meiner Forschung verheiratet. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Doktoranden zu unterrichten, was ich als sehr lohnend empfand, denn diese jungen Leute waren wirklich an der Wissenschaft interessiert.

Was haben Sie bei ihrer Arbeit über das menschliche Gehirn gelernt?

Neben schönen und erstaunlichen Dingen habe ich verstanden, dass die Menschheit trotz ihres Gedächtnisses nicht viel darüber lernt, wie man Gewalt vermeiden kann.

Obwohl Sie ein erfolgreicher Forscher waren, haben Sie mit Mitte vierzig beschlossen, die Wissenschaft zu verlassen. Warum das?

Anfangs hat mir niemand geglaubt, als ich sagte, ich würde aufhören. Aber nach 24 Jahren, in denen ich mehr oder weniger im Labor gelebt habe, wollte ich einen Teil meiner Jahre den Kindern widmen, die in kriegsgebeutelten Ländern aufwachsen. Aber der Witz ist, dass ich immer Wissenschaftler geblieben bin, denn wenn ich im Urlaub war, habe ich einen Freund in den USA besucht, um in seinem Labor zu arbeiten (oder zu spielen). Man hört nie auf etwas zu lernen! Ich lerne auch heute noch etwas über die Wissenschaft, auch wenn ich schon lange im Ruhestand bin. Ich bin immer noch von Kopf bis Fuß Wissenschaftler.

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen der Leitung eines Labors und der Rolle eines Missionsleiters?

Die Art und Weise wie man ein wissenschaftliches Projekt verteidigen muss, ist die gleiche wie die, seine Präsenz in einer Region zu verteidigen, wenn man es mit bewaffneten Soldaten oder dem Polizeichef oder dem Präsidenten zu tun hat. Man muss sein Denken erklären und überzeugende Argumente finden.

Was war Ihre Motivation, humanitäre Arbeit zu leisten, und warum haben Sie sich für Afghanistan und Afrika entschieden?

Am Anfang war die Hilfe für Kinder meine größte Motivation, aber im Laufe meiner Arbeit wurde mir klar, dass jeder froh ist, wenn ihm geholfen wird.

Ich habe mir meine Einsätze nie ausgesucht, sondern war immer bereit, dorthin zu gehen, wo die Organisation, für die ich arbeitete, mich hinschickte. Der Hauptunterschied zu anderen Orten ist der Krieg. In unseren Straßen gibt es keinen Krieg. Wenn man in einem Gebiet arbeitet, in dem Krieg herrscht, kann man nicht erwarten, dass man eine Entwicklung sieht, man muss schnell denken und handeln. Das entsprach meiner Arbeitsweise. Außerdem macht es mir nichts aus, unter Bedingungen zu leben, die sich von denen zu Hause unterscheiden, z.B. in Bezug auf die Wohnsituation oder das Essen.

Nomaden zogen trotz des Krieges mit ihren Tieren über das Land. Das Foto zeigt eine Nomadin aus der Provinz Badakhshan in Afghanistan (2003)

Wie hat Ihre Familie auf Ihre Ambitionen reagiert?

Meine Kinder waren bereits alt genug, um selbst an der Universität zu studieren. Sie verstanden meine Gründe für den Wechsel meines Berufsweges. Selbst meine Eltern, die anfangs nicht ganz begriffen, warum ich eine gut bezahlte Festanstellung aufgab, haben mich sehr unterstützt. Was mir sehr bald klar wurde war die Rolle der Medien bei Konflikten. Meine Mutter bewahrte alle lokalen Zeitungsartikel über die Kriege auf, in denen ich gewesen war, und ich war schockiert über das, was in diesen Artikeln stand. Die Hälfte davon stimmte aus meiner Sicht von den Fakten her nicht. Im Gegensatz zu dem, was meine Eltern in den Zeitungen lesen konnten, war unser Leben nicht jeden Tag gefährlich.

Was die Leute nicht wissen ist, dass selbst im Krieg nicht jede Sekunde gefährlich ist. Schwer zu verkraften ist hingegen, dass man nie weiß wann ein Angriff kommt oder ob er überhaupt stattfindet. Die Ungewissheit ist das Problem. Das heißt aber nicht, dass wir ständig unter Beschuss standen.

Wie haben Sie mit den Menschen in ihren Einsatzgebieten kommuniziert?

In Ländern, in denen ich die Sprache nicht beherrschte, hatte ich immer einen Dolmetscher. Das hat die Dinge manchmal komplizierter gemacht, denn wenn man zum Beispiel mit dem Anführer einer Rebellengruppe sprechen will, möchte man lieber mit dieser Person allein sein. Aber meine Erfahrungen mit den nationalen Mitarbeitern waren ausgezeichnet. Sie haben immer fantastische Arbeit geleistet. Ohne die nationalen Mitarbeiter könnten die humanitären Organisationen nicht arbeiten. Deshalb hätte es meiner Meinung nach keine Diskussion über den Abzug des einheimischen Personals aus Afghanistan geben dürfen. Sie hätten in unsere Länder geholt werden müssen. Ohne diese Menschen war unsere Arbeit nichts wert. Sie sind das Bindeglied zwischen den internationalen Organisationen, den NROs, den Behörden und der Bevölkerung.

Was waren Ihre Ziele bei der Arbeit in den Kriegsgebieten und was wollten Sie erreichen?

Wir hatten viele Ziele, z. B. Hilfe zu leisten für die Bevölkerung, Krankenhäuser, Kliniken und orthopädische Zentren. So haben wir zum Beispiel Menschen, die durch Landminen ein oder gar beide Gliedmaßen verloren haben, mit Prothesen versorgt. Wir haben auch Menschen geholfen, ihre Angehörigen zu finden, die sie im Krieg verloren hatten. Wir haben Gefangene besucht oder den Streitkräften das humanitäre Völkerrecht beigebracht und vieles mehr.

Werkstatt zur Herstellung von Prothesen. Hier aus Faizabad in Afghanistan (2004)

Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass alles was man tut letztendlich wenig ist. Als ich in der Wissenschaft gearbeitet habe, habe ich manchmal mit Elektronenmikroskopie gearbeitet. Bei allem was ich später tat stellte ich mir vor ich hätte ein Elektronenmikroskop, das die kleinen Dinge, die wir erreichten, zu etwas Großem machen würde! Weißt du, von außen betrachtet ist das was wir erreichen nichts, aber für die Menschen auf dem Land kann es eine ganze Menge sein. Ihr Lächeln ist für mich wichtig. Wir haben einmal ein Kind zu einer Mutter zurückgebracht, nachdem sie zwei Jahre voneinander getrennt waren. Beide dachten der andere sei umgekommen. Ihre Gesichter zu sehen, als sie wieder vereint waren, war eine große Freude für uns.

Wenn ein Dorf von bewaffneten Kämpfern angegriffen wird, flüchten die Menschen Hals über Kopf. Nicht selten werden dann Familien voneinander getrennt. Den internationalen Organisationen fällt die Aufgabe zu, diese versprengten Familienmitglieder wieder zu vereinen, wie hier in der östlichen Provinz der Demokratischen Republik Kongo. Mutter und Sohn hatten sich zwei Jahre nicht gesehen und jeder dachte, der andere sei ums Leben gekommen (1996).

Wie haben Sie diese Ziele denn erreicht?

Ich habe gelernt, dass man extrem geduldig sein muss, damit Dinge in Gang kommen. Um seine Ziele zu erreichen, muss man die Menschen kennen lernen, man muss mit ihnen reden. Manchmal dauert es sehr lange, bis man die Erlaubnis erhält in einem bestimmten Territorium zu arbeiten. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ich die Geduld aufbringen musste drei Monate zu warten, bis ich mich mit den hohen Behörden des Landes treffen konnte. Von diesem Zeitpunkt an war alles ganz einfach.

Diese Frauen sind mit ihren Kindern aus ihrer Heimat in Süd-Darfur in dieses Flüchtlingscamp geflohen und warten nun auf Lebensmittel und andere Güter, um sich zu versorgen. Sie sitzen seit Stunden in der Sonne. (Nyala, 2005)
Dieser Junge aus dem südlichen Darfur nimmt Gelegenheitsjobs in Nyala an, um sich über Wasser zu halten, weil seine Eltern beide umgekommen sind (2005).
Diesem Mann aus Mauretanien rannen Tränen über die Wangen, weil er zum ersten Mal in seinem Leben keinen einzigen Tropfen Tee mehr besaß, den er den Gästen anbieten konnte. (Hode ich Chargui, 2008)

Lassen Sie uns näher auf Ihre Lehrtätigkeit im Bereich des humanitären Völkerrechts eingehen, die Sie zuvor erwähnt haben. Wie hat das funktioniert?

Weißt du, viele Soldaten haben keine Ahnung vom humanitären Völkerrecht. Ich hätte in die Hauptstädte einiger bekannter Länder gehen sollen! Nein im Ernst, selbst in der Schweizer Armee wird die Grundausbildung ohne jeden Hinweis auf das humanitäre Völkerrecht durchgeführt. Und dabei wurde ein Teil davon bereits 1907 eingeführt. Dies konzentrierte sich auf die kämpfenden Soldaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch Gesetze zum Schutz der Zivilbevölkerung und der politischen Gefangenen ergänzt. Die Wahrheit ist jedoch, zumindest nach meiner Erfahrung, dass – selbst wenn die Menschen das Gesetz verstehen – kaum jemand diese Regeln befolgt. Schau dir nur den Vietnamkrieg an, oder das was jetzt in der Ukraine passiert, und du verstehst was ich meine.

Aber um es mal optimistisch auszudrücken: Manchmal funktioniert es! Bei einem Einsatz, zu dem ich abkommandiert wurde, änderten die kämpfenden Parteien ihr Verhalten völlig, nachdem sie etwas über das humanitäre Recht gelernt hatten, und sie betrachteten ihren Feind mit anderen Augen. Das war sehr interessant zu sehen.

Die größte Veränderung in den letzten 20 Jahren ist, dass die Taten nicht so schnell vergessen werden. Mit anderen Worten, es werden Untersuchungen angestellt, um herauszufinden, was während des Krieges wirklich passiert ist.

Waren Sie jemals versucht aufzugeben?

Nein! Ich habe einen ziemlichen Dickschädel. Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich bis zum Ende. Es gibt nichts Schöneres, als den Menschen eine Perspektive zu geben. Wenn eine Familie nichts zu essen hat, der Vater umgekommen ist und man ihnen helfen kann, so dass sie überleben, dann ist das sehr befriedigend. Ich habe Häftlinge besucht, denen aufgrund unserer Besuche versichert wurde, dass sie nicht verschwinden werden. Ich habe immer noch einen Brief aus dieser Zeit, in dem sich Gefangene bei uns bedanken und erklären, dass sie ohne unsere Unterstützung Selbstmord begangen hätten.

Was war Ihr schwierigster Einsatz?

Vielleicht der in Bosnien-Herzegowina, denn wie die Menschen in der Ukraine jetzt, fühlte es sich an als wären sie Cousins. Es war ein Krieg nebenan. Als ich dort hinkam und all diese Gefangenen sah, war ich an den Zweiten Weltkrieg erinnert. Sie waren nur aus politischen Gründen eingesperrt worden. Erst waren die Kämpfenden Brüder und wurden plötzlich zu Feinden.

Für die Menschen dieser zerbombten Stadt in Ex-Jugoslawien wurde es zu einer der wichtigsten Aufgaben jeden Tag frisches Wasser zu holen. (1994)

Welche Eigenschaften sind für die humanitäre Arbeit wichtig?

Geduld und Beharrlichkeit sind meiner Meinung nach wichtig. Ich werde dir ein Beispiel geben: Ich habe in einer Region gearbeitet, in der wir für die Einreise ein Papier der Behörden benötigten. Es war schwierig diese Papiere zu bekommen. Der Kern des Problems war ein Wettbewerb zwischen zwei Ministern. Einer von ihnen bat mich irgendwann, in sein Büro zu kommen. Ich zog also meine Krawatte an und beeilte mich zu ihm zu kommen. Aber man ließ mich warten. Drei Stunden später ging sein Sekretär und ich fragte ihn, ob der Minister wisse, dass ich noch da sei. Er sagte, er nehme es an. Weitere zwei Stunden später verließ der Minister sein Büro und sah mich warten. Er fragte mich: “Was machen Sie hier?” und ich antwortete: “Nun, Sie haben mich für 12 Uhr einbestellt.” “Das habe ich völlig vergessen”, war seine ehrliche Antwort. Ich sagte ihm, dass ich dachte, er wolle ein Experiment durchführen, um zu sehen, ob weiße Menschen aus Europa das sehr heiße Klima fünf Stunden lang aushalten können, ohne zu trinken. Kurze Zeit später wurde ich nicht nur mit Essen und Trinken versorgt, sondern auch mit einem Papier, das uns erlaubte, in der oben genannten Region zu arbeiten. Wir waren die einzigen die jemals ein solches Papier erhalten haben und ich bin sicher, es lag nur daran, dass ich fünf Stunden lang gewartet hatte.

Persönlicher Kontakt, um Vertrauen aufzubauen, ist eine weitere hilfreiche Sache. In Afrika gibt es oft Kontrollpunkte, die von Kindersoldaten bewacht werden. Als Missionsleiter habe ich vor Ort immer mit diesen Kindern gesprochen. Ich habe mir die Zeit genommen ein richtiges Gespräch zu führen. Nach einer Weile kannten sie uns. Weil sie uns kannten und uns vertrauten, konnten wir jeden Kontrollpunkt passieren. Einmal rief mich der Präsident an, um mir mitzuteilen, dass einige seiner Leute von den Rebellen freigelassen worden waren. Sein Problem war, dass er niemanden schicken konnte, um sie zu holen, denn wir waren die Einzigen, die dieses Gebiet betreten durften. Wir nahmen also unsere drei Autos, um die Leute abzuholen. Wir passierten alle Kontrollpunkte ohne Probleme, denn die Kindersoldaten kannten uns aufgrund unserer zahlreichen vorherigen Gespräche.

Besser zu dritt auf dem Fahrrad als alleine zu Fuß. Soldaten der östlichen Provinz der Demokratischen Republik Kongo. (2010)
Freiheitskämpfer aus Süd-Darfur (Sudan, 2005)

Wie verarbeiten Sie das, was sie gesehen und erlebt haben?

Während des Einsatzes hatte ich nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken. Es kam erst alles zurück, als ich nach 22 Jahren aufhörte mit der humanitären Arbeit. Ich sah Weinende, Tote, Massengräber, Eingeweide von Menschen, die als Seile für Kontrollpunkte verwendet wurden und vieles mehr. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals damit fertig werde.

Welchen Rat geben Sie jungen Menschen, die in Ihre Fußstapfen treten wollen?

Es ist ein Unterschied ob ich 25 oder 55 bin, wenn ich für eine humanitäre Organisation arbeite. In höherem Alter ist man vielleicht eher in der Lage Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass man als Autorität akzeptiert wird.

Was ich jungen Menschen normalerweise sage, ist folgendes: Arbeitet zuerst in eurem eigenen Land, und geht dann in die schwierigen Länder. Und bleibt nicht zu lange an einem Ort. Wenn ihr das tut, besteht die Gefahr, dass ihr nie wieder weggeht. Wechselt also euren Einsatzort.

Wenn man sich aktiv für Hilfsbedürftige einsetzen möchte, sind NGOs dann ein guter Ausgangspunkt?

Das erste was ich immer dazu sage ist, dass es in unseren eigenen Ländern viel zu tun gibt. Bei uns leben Menschen auf der Straße, es gibt Kinder die nicht gut versorgt sind, es gibt viele alte Menschen die Hilfe brauchen, und natürlich haben wir Flüchtlinge. Man muss also nicht nach Afghanistan oder Afrika gehen, um zu helfen.

Sie haben ein Buch mit dem Titel “Beauty in Bitterness” veröffentlicht. Es enthält Bilder, die Sie bei Ihren Einsätzen gemacht haben, um sie Ihrer Familie zu zeigen. Wie ist aus der Sammlung ein Fotobuch geworden?

Eine Dame, die sich in der Basler Kultur engagiert, sah meine Bilder und überzeugte mich, sie der Öffentlichkeit zu zeigen. Es gelang ihr eine Ausstellung zu organisieren. Ich stellte die Bilder zur Verfügung und schrieb kurze Texte über die Geschichten der Menschen auf den Bildern. Nach der Ausstellung beschlossen wir, daraus ein Buch zu machen. Ich fand es interessant zu sehen, dass die Leute die Bilder schön fanden, bis sie den Text darunter lasen und so die Umstände erfuhren. Einige von ihnen fingen an zu weinen, als sie erkannten, welche Geschichte sich hinter dem Foto verbirgt.

Ich habe jedoch mit der Zeit verstanden, dass die Menschen schnell vergessen, weil sie es müssen. Wir können nicht ewig mit einer so harten Wahrheit leben. So war es auch, als ich nach dem Ende eines Einsatzes meine Geschichten erzählte. Freunde luden mich ein, um von meiner Arbeit zu hören, aber nach fünf Minuten ging das Gespräch zu sanfteren Themen über. Ich kann niemandem die Schuld dafür geben, aber das passiert uns allen, die in der humanitären Arbeit tätig sind. Es ist zu schwierig sich das anzuhören, weil es in erster Linie sehr schmerzhaft ist und weil die Menschen vielleicht erkennen, dass sie ein viel besseres Leben führen als Menschen in anderen Teilen der Welt. Sie fühlen sich dem gegenüber hilflos. Wir ziehen es vor zu vergessen, oder wir fragen nicht, weil wir Angst vor den Antworten haben.

Sind Sie heute eher optimistisch oder pessimistisch, was die Lage der Nationen angeht?

Eine Medaille hat immer zwei Seiten. Ich betreibe jetzt ein Bed & Breakfast und treffe viele junge Leute die wunderbare Dinge tun. Wenn ich hingegen morgens in die Zeitung schaue, nichts als schlechte Nachrichten, keine positiven Geschichten!

Ich freue mich, dass es in der Schweiz eine große Welle der Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge gibt. Aber seien wir ehrlich, sie haben glattes blondes Haar und einen hellen Hautton. Ich stelle jedoch fest, dass die Menschen langsam erkennen, dass wir einen Unterschied machen, je nachdem wo ein Flüchtling herkommt. Ich hoffe, dass wir bald auch Flüchtlingen aus anderen Teilen der Welt offener gegenüberstehen.

Sie verwenden Ihre Einnahmen aus dem B&B und sammeln Spenden, um verschiedene Projekte in der ganzen Welt zu unterstützen.  Mögen Sie uns diese Projekte vorstellen?

Ja, natürlich! Ich beschreibe sie am Besten der Reihe nach:

  1. Eine Schule für AIDS-Waisen im Busch von Zentralafrika, die zum Teil mit dem Geld des B&B gebaut wurde, wird weiter von uns unterstützt.
  2. Eine Familie in Afrika mit zwei eigenen Jungen hat sechs Waisenkinder adoptiert. Außerdem beherbergt sie eine Frau mit zwei kleinen Kindern, die ihr Dorf verlassen hat, nachdem ihr Mann ermordet wurde. Trotz eines Gehalts haben sie nicht genug, um diese große Anzahl von Menschen zu unterstützen. Wir versuchen daher, ihnen zu helfen.
  3. Wir finanzieren ein kleines Projekt, das es einem Jugendlichen ermöglicht, eine neue Beinprothese zu bekommen, nachdem auf ihn geschossen worden war. Er lebt in einem Dorf in einer Region, in der Boko Haram aktiv ist. Mit den Spendengeldern werden seine medizinische Behandlung und das Schulgeld bezahlt. Er ist inzwischen Klassenbester, muss aber alle zwei Jahre eine neue Prothese bekommen.
  4. Wir unterstützen die kleine Angel, die in den Slums von Kenia lebt, damit sie medizinisch versorgt werden kann. Sie wurde ausgesetzt als sie nur ein paar Stunden alt war. Anita fand sie und adoptierte sie. Dann zerstörte ein Feuer ihr Zuhause. Zu allem Überfluss wurde bei Angel wenige Monate nach ihrer Geburt eine autistische Störung diagnostiziert. Jetzt beginnt sie zu laufen und zu sprechen. Sie liebt es zu singen.
  5. Wir zahlen darüber hinaus die Studiengebühren für ein brillantes junges Mädchen in Polen (die Tochter eines erstaunlich sachkundigen Führers, den wir in Auschwitz kennengelernt haben) und für ihren Bruder sowie für die Tochter eines Kollegen von mir, der in Mostar (Bosnien) lebt und mit mir während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien zusammengearbeitet hat.

Diese Kosten belaufen sich in Summe auf 46.000 Euro pro Jahr.

Wie können die Menschen Ihre Wohltätigkeitsorganisation unterstützen?

Zunächst einmal möchte ich Folgendes sagen: Es stimmt, dass bei Nichtregierungsorganisationen eine große Lücke klafft, zwischen den Spendensummen und dem, was wirklich bei den Menschen ankommt. Aber ich bestehe darauf, dass wir internationalen Organisationen und NGOs helfen sollten.

In meinem Fall sind die Projekte viel kleiner. Ich habe die Familien ausgewählt, weil ich sie kenne. Sie sind also die Glücklichen. Ich weiß, dass es Millionen von anderen gibt, die nicht unterstützt werden. Man kann also über diesen Ansatz diskutieren, aber was die Spender an unseren Projekten schätzen ist, dass sie über eines sicher sein können: 100 Prozent der Gelder kommt bei den Bedürftigen an.

Wenn sich deine Leser direkt engagieren wollen, hier sind die Details für das Spendenkonto:

Bank Account
School Africa
Jean Nordmann
Hebelstrasse 85
4056 Basel

IBAN: CH81 0840 1000 0543 5183 9
SWIFT: MIGRCHZZ80A
Migros Bank AG
Aeschenvorstadt 72
4051 Basel, Schweiz
Clearing: 8401

Haben Sie noch eine Botschaft an meine Blogleser zum Abschluss?

Ich gebe eigentlich nicht so gerne Ratschläge. Ich hätte nie gedacht, welch großen Einfluss die Geschichte meines Lebens auf andere Menschen hat. Sie finden es erstaunlich, dass ich meine Arbeit als Professor und in der Forschung – die ich geliebt habe – aufgeben konnte, um humanitäre Arbeit in kriegsgebeutelten Ländern zu leisten. Manche Leute kommen also zu mir und bitten mich um Rat, wie sie ihr Leben leben sollen.

Mein Rat ist dieser: Solange du niemanden verletzt, tue was du willst! Und zweitens: Man muss nicht nach Afrika gehen, um etwas zu bewirken. Wir brauchen auch in unserer Gesellschaft Menschen die helfen.

Danke, dass Sie Ihre Geschichte mit uns geteilt haben Jean. Es bedeutet mir sehr viel!

Mein heutiger Interviewpartner war:

Jean Nordmann (geb. 1948) – Studium und Promotion in Neurobiologie in Genf, Schweiz, Postdoktorat in Cambridge und Göttingen. Trat 1992 als Forschungsdirektor am Centre National de la Recherche Scientifique in Frankreich zurück, um für internationale Organisationen und NGOs zu arbeiten. Er lebt heute in Basel. 

Wenn du Jean direkt kontaktieren möchtest,
schreib ihm eine E-Mail an: nordmannjj@yahoo.fr
Er ist auch per Telefon zu erreichen: (+41) 061 321 93 42

Jeans Buch “Beauty in Bitterness” gibt es im Handel leider nicht mehr, er verschickt auf Anfrage das PDF dazu aber gerne gegen eine kleine Gebühr. Die Aufnahmen in diesem Interview stammen alle aus diesem Bildband. Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Fotografen. Anfragen bitte direkt an Jean Nordmann.

Zum Schluss noch dies: Ich führe die Interviews im Rahmen der Gesprächsreihe mit großer Leidenschaft und stecke viel Energie hinein, weil es mir wichtig ist, dass Menschen die sich für die Gesellschaft engagieren, eine Stimme bekommen. Wenn du jemanden kennst, der hier unbedingt zu Wort kommen sollte, dann freue ich mich über deinen Hinweis.

Im Gespräch mit Alea Horst – Privileg verpflichtet

Ihre Eltern hatten zur Geburt ein zartes blondes Kind erwartet, so wie bei ihrer älteren Schwester. Zum Vorschein kam allerdings ein Baby das am ganzen Körper dunkel behaart war. Dem Krankenhauspersonal entfuhr der Ausruf: „Schon wieder ein Ausländerkind!“

Sie wächst in einem Dorf im Taunus, in der Nähe von Frankfurt, auf und liebäugelt bereits im Alter von 15 Jahren mit dem Beruf der Fotojournalistin, lässt sich aber von den angeblichen Voraussetzungen, die das Berufsinformationszentrum kommuniziert, abschrecken. Jahre später hilft der Zufall nach: Ihr Ehemann braucht eine Spiegelreflexkamera für seinen Job. Alea leiht sich diese aus und entdeckt die Fotografie als Hobby. Sie lädt ihre Schnappschüsse auf Social Media hoch und bekommt zahlreiche Anfragen. Zunächst meldet sie ein Nebengewerbe an. Dann wird die 3D-Softwareentwicklungsfirma in der sie in der Auftragsabwicklung hauptberuflich arbeitet verkauft und sie wird entlassen. Das ist der Schubs den sie braucht, um hauptberuflich in die Fotografie einzusteigen. Sie beginnt als Familien- und Hochzeitsfotografin. Ein Silvestervorsatz führt sie ins Flüchtlingslager auf Lesbos. Danach ist nichts mehr wie es war. Heute ist Alea Friedensaktivistin mit eigener Hilfsorganisation, Fotografin für Kriegs- und Krisengebiete und setzt sich mit ihren Ausstellungen und Vorträgen für Zukunftsbildung ein.

Deine Eltern mussten sehr schnell kreativ werden, nachdem der  dir ursprünglich zugedachte Name nicht mehr passend schien. Welche Bedeutung hat der Name Alea?

Im Lateinischen heißt Alea „Würfel“, was ich für mich ganz stimmig finde, wegen der verschiedenen Perspektiven die man betrachten kann. Ich habe definitiv viele verschiedene Seiten. Im Arabischen ist Alia außerdem diejenige, die auf dem Berg steht und in die Weite schaut.

Es geht dir bei deiner Fotografie darum ehrliche Bilder zu machen. Wie stellst du das Menschliche in deinen Motiven in den Vordergrund?

Am Anfang habe ich tatsächlich sehr viele andere Fotografen nachgeahmt. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich auf meine eigene Stimme hören muss. Mir ist dabei bewusst geworden: Je mehr ich auf mich selbst höre, je mehr ich auf meine innere Stimme vertraue, umso authentischer werden meine Fotos. Anfänglich dachte ich, dass zum eigenen Business eine kühle Distanziertheit gehört, aber das war ein Holzweg. Mir wurde über meine Arbeit klar: Je offener und authentischer ich selbst bin, je menschlicher ich mit den Personen vor der Kamera umgehe, desto besser werden meine Fotos. Im offenen Umgang mit der Situation finde ich meine Motive, kann die Personen anleiten, oder auch geschehen lassen, was gerade passiert. Meine Offenheit macht es den Menschen leichter sich zu entspannen und sich intimer zu zeigen. Fotografie ist etwas sehr intimes und je mehr Vertrauen ich in mein Gegenüber habe, umso besser funktioniert das Zusammenspiel.

Mir ist wichtig, dass ich die Menschen, die ich fotografiere, in ihrer Situation abhole und keine Aufsicht produziere. Deshalb schauen mir die Menschen in die Augen. Manche Betrachter verstört es, dass die Menschen die ich fotografiere lachen, auch wenn sie sich in einer extremen Lebenssituation befinden. Das kommt daher, dass die Menschen mit mir in der Interaktion sind, wir miteinander lachen.

Kinder bei einem Brunnenbauprojekt in Afghanistan

Du sprichst von einem Machtunverhältnis. Wie meinst du das?

Fotografie ist wie nackt machen. Als Fotografin ermächtige ich mich, denn ich kann denjenigen den ich fotografiere darstellen wie ich es möchte. Die Person die ich fotografiere kann hingegen das Ergebnis nicht beeinflussen. Mein Gegenüber muss mir also vertrauen. Das mache ich mir bewusst und mit dieser Verantwortung gehe ich achtsam um. Ich möchte Menschen nicht als Opfer darzustellen, oder sie klein machen. Es ist mir wichtig, sie so würdevoll wie möglich abzubilden.

Wie baust du den Dialog zu den Menschen auf, die du fotografierst?

Ich beginne immer mit einem Lächeln und gehe offen auf die Menschen zu. Wenn ich einen Übersetzer dabeihabe ist es einfach, dann stellt er mich vor und erklärt meine Arbeit. Aber auch wenn keine Person dabei ist die vermitteln kann, geht Kommunikation, dann eben in  Zeichensprache. Einfache Unterhaltungen mit Händen und Füßen sind immer möglich. Heute hilft natürlich auch ein Übersetzungsprogramm auf dem Mobiltelefon.

Ich versuche immer eine echte Begegnung mit den Menschen zu schaffen, weil mir Hintergrundinformationen über die Menschen, die ich fotografiere, wichtig sind. Wenn ich Bilder ausstelle gibt es zu jedem Foto einen Text, der die Person in ihrer Situation vorstellt. Ich beschreibe den Gesprächsverlauf, halte fest, was ich in dem Moment dachte. Erst dadurch bekommt meine Fotografie einen Sinn, denn mein Anliegen ist es, den Menschen die ich fotografiere, eine Stimme zu geben.

Du hast als Familien- und Hochzeitsfotografin begonnen. Dann hattest du ein Schlüsselerlebnis. Kannst du uns davon erzählen?

Ich hatte die Lage in Syrien verfolgt und meine innere Stimme ermahnte mich permanent etwas zu tun. Aber als Hochzeitfotografin fühlte ich mich relativ unnütz. Also traf ich die Entscheidung mich zu engagieren, es war einer dieser berühmten Silvestervorsätze. Ich wollte mir am Ende meines Lebens nicht vorwerfen müssen, nichts unternommen zu haben.

Vier Tage später flog ich zu meinem ersten Nothilfeeinsatz nach Lesbos, um mich einer sehr kleinen schwedischen Hilfsorganisation anzuschließen. Ich war vollkommen unvorbereitet und hatte keine Ahnung was mich erwartet. Ich war tagsüber dazu eingeteilt Nothilfe am Strand zu leisten. Ich habe Menschen die völlig dehydriert, durchnässt oder kraftlos waren, aus den Flüchtlingsbooten gezogen. Ich habe Kinder gesehen, die auf den Grund des Bootes gerutscht waren. Andere Flüchtende hatten auf ihren Gesichtern gestanden. Die Flüchtlinge waren durchgefroren und von Todesangst getrieben, das war in ihren Augen deutlich zu sehen. Viele waren erleichtert endlich in der EU anzukommen, sind in Tränen ausgebrochen, haben gebetet, manche sind ohnmächtig zusammengebrochen. Ich hatte noch nie zuvor Begegnungen wie diese.

Am Abend habe ich ein paar Stunden geschlafen und in der Nacht hatte ich Dienst im Flüchtlingslager Moria. Dort musste ich Menschen zusammenpferchen. Es gab nur 16 Container und damit niemand draußen bleiben muss und dort erfriert, mussten wir alle dazu anhalten zusammenzurücken. Trotzdem sind Kinder erfroren, weil nicht für alle Platz war. Ich habe noch versucht, Decken und Kleidung zu organisieren und habe mich die ganze Zeit überfordert gefühlt, weil ich nicht damit gerechnet hatte, welche Aufgaben mir als Anfängerin übertragen würden. Ich habe mich sogar bei der Lagerleitung beschwert, aber sie hat mich ausgelacht und gesagt, dass kein Lager auf der gesamten Balkanroute so gut sei wie dieses. Ich hatte vergleichbares noch nie erlebt.

Dann kam ich wieder nach Hause und hatte das Gefühl, dass unser Wohlstand in keinem Verhältnis steht zu der Ungerechtigkeit die den Flüchtlingen widerfährt. So war mir klar, dass ich längerfristig aktiv sein muss.

Im gleichen Jahr bin ich nach Jordanien gegangen und habe dort die Geschichten in Traumakindergärten einer deutschen Hilfsorganisation dokumentiert. Dann war ich bei der Seenotrettung und von da an ist die Liste der Hilfsorganisationen immer länger geworden. Ich habe mich immer als Helferin angeboten aber dazugesagt, dass ich eine gute Fotografin bin, die die Arbeit vor Ort in Bild und Text dokumentieren kann.

Ich habe die sozialen Projekte alle ehrenamtlich fotografiert und für die Reisen Urlaub genommen. Das Ganze war also unbezahlt, bzw. ich habe meine Ersparnisse angezapft. Auch die Ausstellungen die ich danach konzipiert habe, haben sehr viel Geld gekostet. Dies musste ich irgendwie querfinanzieren. Daher habe ich noch eine Weile lang Familien- und Hochzeitsfotografie gemacht. Nachdem ich aber Kinderarbeit, Hunger und alles andere mit meinen eigenen Augen gesehen hatte, war ich nicht mehr in der Lage Hochzeitstorten zu fotografieren. Kunden verdienen, dass die Fotografin ihre Wünsche und Träume wertschätzt. Das konnte ich emotional nicht mehr. Für mich war eine Grenze überschritten.

Du hast damit deine Einkommensquelle verloren. Wie hast du dich an diese veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst?

Grundsätzlich gilt, dass ich für vieles, das ich mir früher geleistet habe, heute kein Geld mehr ausgebe. Das liegt aber auch daran, dass sich meine innere Einstellung zu vielen Dingen geändert hat. Ich brauche sie heute nicht mehr. Ich war beispielsweise vor 5 Jahren zum letzten Mal im Urlaub.

Der andere Aspekt ist, dass es auch Hilfsorganisationen gibt, die Bilder abkaufen können. Inzwischen arbeite ich für einige von ihnen und habe dadurch geringe Einnahmen, die zumindest die Reisekosten decken. Die Ausstellungen versuche ich durch Fördergelder zu finanzieren. Ich bin da gerade in einer Transformationsphase.

Wie meinst du das genau?

Ich habe in den letzten Jahren eigene private Nothilfe geleistet und inzwischen einen eigenen Verein, Alea e.V. gegründet. Ziel ist es mit diesem Verein so viel Geld zu erwirtschaften, dass ich nicht nur die Sach- und Nahrungsmittelhilfen und meine Reisen in die Krisengebiete finanzieren kann, sondern meine Anstellung innerhalb dieses Vereins als Spendenkoordinatorin möglich ist. Das soll natürlich mit meiner freiberuflichen Tätigkeit als Fotografin kombinierbar sein, damit ich weiterhin im Auftrag anderer Hilfsorganisationen tätig sein kann.

Wie verarbeitest du denn, was du bei deiner Arbeit siehst und erlebst?

Ich werde darin immer besser, aber das war ein Prozess. Wenn ich von Projekten zurückkomme geht es mir schon ein paar Tage schlecht. Ich ziehe mich dann zurück und verbringen viel Zeit im Garten, weil ich festgestellt habe, dass es mich erdet, die Hände in den Boden zu stecken. Mir hilft dieser Bezug zur Natur auch, um mich abzugrenzen, mir bewusst zu machen, dass ich nur für die Konsequenzen meines eigenen Handelns verantwortlich bin. Ich kann Menschen nicht dazu zwingen, sich mit den Zuständen in Syrien oder andernorts zu beschäftigen. Denn was ich klar benennen kann ist, dass das was ich vor Ort sehe, die Bilder die ich mache, nicht das sind was mich belastet. Was mich wirklich belastet ist, dass das Interesse an meiner Arbeit in Deutschland sehr gering ist. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen desinteressiert sind daran, wie es Menschen geht, die weit weg leben. Sie fragen sich dann, was deren Schicksal mit ihnen zu tun hat. Mir tut das unglaublich weh, aber ich kann nicht für das Tun anderer Menschen verantwortlich sein.

Ich kann meine Fotos zeigen, um klar zu machen, wo Veränderung Not tut, aber ob Menschen sich davon beeinflussen lassen, das liegt nicht in meiner Hand. Hier habe ich dazugelernt, denn am Anfang verspürte ich einen unglaublichen Druck, dass meine Bilder etwas verändern müssen, das Handeln anderer Menschen beeinflussen müssen und das hat mich sehr belastet. Aber das ist nicht meine Verantwortung und das muss ich mir immer wieder bewusst machen.

Was mich auch hilft ist, dass ich während meiner Einsätze viele inspirierende Menschen treffe. Da sind die Menschen die ich fotografiere, die unglaubliches durchgemacht haben und trotzdem jeden Morgen aufstehen und mich mit einem freundlichen Lächeln begrüßen oder zum Tee einladen. Wenn diese Menschen nicht aufgeben, habe ich kein Recht zu klagen. Darüber hinaus gibt es tolle Menschen in Hilfsorganisationen, die – egal wie aussichtlos die Situation oder wie verrückt die Aufgabe ist – trotzdem die Ärmel hochkrempeln und die Herausforderung annehmen. In Begegnung zu gehen mit diesen Menschen gibt mir sehr viel Kraft.

Welche Haltung hast du zur Flüchtlingspolitik der Regierung?

Spätestens seit dem letzten September als die Bundesregierung menschenverachtend reagiert hat, als in Kabul beim Truppenabzug Menschen aus dem Flugzeug gefallen sind und Eltern ihre Kinder über den Zaun gehoben haben, empfinde ich eine große Frustration oder gar blankes Entsetzen.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich das für mich noch zugespitzt. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, ich finde die Hilfsbereitschaft den Ukrainern gegenüber großartig. Ich stelle nur fest, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

Ich wünsche mir eine Sensibilität allen Geflüchteten gegenüber die an unseren europäischen Außengrenzen unwürdig versterben.

Dieser tief verankerte Alltagsrassismus macht mich wütend und traurig zugleich. Eigentlich müssten alle Alarmglocken aufleuchten, wenn gesagt wird, dass es doch nur zu natürlich sei, dass man den europäischen Nachbarn hilft. Gerade mit unserer Geschichte wäre mehr Sensibilität allen Nationen gegenüber erforderlich. Man kann das ja durchaus fühlen, aber dann würde ich mir wünschen, dass Menschen dieses Empfinden kritisch hinterfragen. Da stimmt doch etwas nicht, wenn Hilfe für Europäer selbstverständlich ist und für Muslime nicht. Aber das Hinterfragen bleibt aus und die selektive Hilfe wird verteidigt. Das zeigt mir, dass wir noch weit weg sind von einer gesunden Gesellschaft.

Hat das vielleicht auch etwas mit unserer inneren Haltung den Geflüchteten – beispielsweise aus Afrika – gegenüber zu tun?

Das ist durchaus möglich. Ich denke, dass wir ein völlig falsches Bild von Menschen haben, die in Flüchtlingslagern, in Slums oder im Krieg leben. Da sind Narrative in unserem Kopf, die dringend aufgebrochen werden müssen. Diese sind aber auch entstanden, weil sie mit Filmen oder Fotos gefüttert wurden. So ist beispielsweise über die Afrikaner das Bild entstanden, dass sie nur zu Hause sitzen, die Hand aufhalten und auf Spendengelder warten.

Ich war in vielen Ländern als Fotografin unterwegs und konnte beobachten, dass die Menschen sehr hart arbeiten. Notsituationen haben nichts mit mangelndem Fleiß oder mit fehlender Kreativität zu tun. Gerade bin ich aus den Capverden zurückgekehrt. Die Menschen dort haben teilweise drei Jobs gleichzeitig. Während die Friseurin auf Kunden wartet strickt sie. Die Fischverkäuferin flicht Frauen die Haare. Am Willen oder der Kreativität mangelt es nicht, sondern an der Perspektivlosigkeit. Wir können das nur schwer nachvollziehen, weil wir dieses Problem bei uns nicht haben.

Ist es eine Zielstellung deiner Arbeit als Friedensaktivistin diese Narrative aufzubrechen?

Ich versuche ein Brückenbauer zu sein. Ich möchte Menschen in schwierigsten Situationen so darstellen, dass andere Menschen aus Wohlstandsgesellschaften sich in sie hineinversetzen können. Das gilt für meine Bilder und meine Texte. Ich versuche es, durch einen direkten Blick und eine klare Sprache, den Menschen so einfach wie möglich zu machen, zu verstehen was passiert.

Also ist die Fotografie nicht deine einzige Art dich auszudrücken?

Meine Fotografie ist meine größte Stärke. Früher waren meine Bilder der Zweck meiner Arbeit. Heute sind sie ein Mittel. Ich habe eine Botschaft, die ich transportieren möchte, dafür brauche ich auch Text. Meine Texte sind dabei mehr als reine Information. Sie geben den Menschen eine Stimme. Oft sind es die Erzählungen der Menschen, die ich fotografiert habe. Ich möchte zeigen, was die Situation in der sie sich befinden, mit ihnen macht. Zudem schreibe ich auch meine eigenen Gedanken und Eindrücke auf. Ich bin dabei die Brücke, weil ich mich selbst sehr stark öffne, mich verletzlich zeige. Durch mein Öffnen kann sich auch der Betrachter öffnen. Das wirkt wie eine Art Erlaubnis, denn es wird ja gesellschaftlich gerade eher uncooler sich emotional zu zeigen.

Das ist vielleicht, was meine Fotografie gegenüber anderen sehr talentierten Fotografen oder Journalisten einzigartig macht.

Der Schuster von Kabul

Erzähl uns noch ein bisschen mehr von deinem Verein: Welches Ziel verfolgst du mit dieser Arbeit?

Der Verein heißt Alea e.V. , die Gemeinnützigkeit ist seit dem letzten Jahr anerkannt. Spenden sind also steuerlich absetzbar. Die Arbeit des Vereins hat drei Säulen: Die erste ist die Nothilfe, wie etwa die Bereitstellung von Nahrungsmitteln oder die medizinische Versorgung für Menschen mit Behinderungen oder Kriegsverletzungen. Die Nothilfe bezieht sich immer auf kleine lokale Projekte die ich persönlich von meiner Arbeit vor Ort kenne. Es ist dadurch gesichert, dass das Geld auch wirklich ankommt. Die zweite Säule sind Aufklärungsprojekte z.B. in Form von Ausstellungen oder Vorträgen in Schulen. In dem Rahmen versorge ich die lokalen Hilfsorganisationen auch mit meinem Bildmaterial. Die dritte Säule ist die Zukunftsbildung. Hilfsprojekte und Entwicklungszusammenarbeit sind zwar wichtig, aber sie sind langfristig keine Lösung. Ich möchte hier Menschen mit guten Zukunftsvisionen Raum einräumen, diese zu präsentieren, z.B. im Rahmen meiner Ausstellungen. Das sind dann z. B. Gemeinwohlökonomen oder Menschen die die gesellschaftliche Teilhabe fördern. Mein Ziel ist ja, das was ich anprangere zu beseitigen. Ich möchte mich im Prinzip selbst überflüssig machen.

Welche Eigenschaften helfen dir, deinem Beruf nachzugehen?

Ich habe überhaupt keine Berührungsangst und Urvertrauen in mich und meine Fähigkeiten. Meine interkulturelle Kompetenz ist wichtig im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen. Ich habe eine gewisse Sensibilität, die ich bei anderen manchmal vermisse. Diese habe ich mir durch Zuhören und Beobachten angeeignet. Das Feingefühl nicht mit der Tür ins Haus zu fallen trägt zur Qualität meiner Bilder und meiner Texte bei und die Menschen können sich mir deshalb anvertrauen.

Du hast ein Buch über das Flüchtlingslager in Moria, mit Bildern und Texten, veröffentlicht. Es heißt „Manchmal male ich ein Haus für uns“. Wie ist es zu dieser Buchidee gekommen? Und wie hat sich die Umsetzung gestaltet?

Ich wollte schon länger ein Buchprojekt verwirklichen, dachte aber, dass es noch ein paar Jahre dauert, bis es soweit ist. Dann bin ich vom Klett Kinderbuchverlag angesprochen worden, die kritische Kinderbücher mit schwierigen Themen umsetzen. Sie wollten ein Buch über das Flüchtlingsthema machen und kannten meine Arbeit.

Ich bin erst einmal erschrocken, weil das Thema schon für Erwachsene sehr hart ist und ich mich gefragt habe, wie ich das kindgerecht umsetzen kann. Erschwerend kam hinzu, dass man in den Flüchtlingslagern zu der Zeit schon nicht mehr fotografieren durfte. Es herrscht ein absolutes Verbot. Ich war bereits einmal festgenommen worden, weil ich neben dem Lager Aufnahmen gemacht hatte. Es wird strukturell alles getan, damit keine Berichterstattung mehr nach außen dringt, weil der gesellschaftliche Druck so hoch ist, die Lager besser auszustatten. Weil das aber nicht umgesetzt wird, darf es eben keine Bilder mehr geben. Die offizielle Begründung ist natürlich, dass die Mensch geschützt werden sollen, aber de facto ist die Devise: „Was nicht im Bild festgehalten ist, existiert als Zustand nicht.“ Das schlimme ist, dass die Kriminalisierung von Helfern seit Jahren völlig normal ist. Ich bin beileibe nicht die einzige Aktivistin oder Fotografin, die festgenommen wurde. Es ist ein bisschen wie russisches Roulette. Irgendwann ist man eben dran. Der Grund für die Anzeige lautet dann übrigens „Spionage“, aber ich wusste ja, dass das bei mir nicht haltbar ist. Also bin ich ruhig geblieben und nach ein paar Stunden mussten sie mich wieder gehen lassen.

Die Vorgehensweise hat allerdings Methode. Das Gleiche passiert auch den Seenotrettern. Sie werden angeklagt, dann gibt es zähe Verfahren, die Geld und Zeit kosten und die Menschen einschüchtern, auch wenn sie am Ende vom Vorwurf freigesprochen werden. Das Ziel ist die Zermürbung.

Ich habe den Buchauftrag schließlich angenommen ohne zu wissen, ob ich die Geschichte auf Lesbos wirklich produzieren kann. Ich habe dann mit Kindern gesprochen, um eine Idee zu bekommen. Aber diese Interviews waren hart und beinhalteten viel Schmerz und Verzweiflung. Kinder haben normalerweise eine sehr hohe Resilienz. Egal in welchen Umständen ich Kinder bisher gesprochen hatte, haben sie immer etwas positives zu erzählen gewusst. In Moria war das anders. Diese Kinder haben keinerlei Perspektive und sind der Situation komplett ausgeliefert. So habe ich entschieden, dass das Buch ihre Geschichten erzählen wird, ungeschminkt und aus ihrer eigenen Perspektive heraus. Die Porträts dazu habe ich heimlich aufgenommen. Das war ein Risiko, aber diese Frage stelle ich mir bei jedem Einsatz am Anfang: Ist die Botschaft die ich mit meiner Arbeit erzählen kann den Einsatz wert? In dem Fall war die Antwort ein klares ja. Die Kinder haben auch bereitwillig mitgemacht und ich hatte das Einverständnis der Eltern, weil sie natürlich auf Veränderung hoffen. Diese Menschen im Lager sind meine Superhelden, weil sie das was ihnen dort täglich widerfährt aushalten. Ich könnte das für keine drei Tage, sie hingegen sind schon seit Jahren dort. Ich möchte also auch nichts mehr über Opfer hören, denen gegenüber wir großzügig sind. Das offenbart ein ganz schräges Menschenbild.

Weißt du wie es den Kindern inzwischen geht?

Ein Teil von ihnen ist tatsächlich raus aus dem Lager in anderen Unterkünften oder anderen Ländern, aber manche sind immer noch dort. Ein Kind ist mit seinen Eltern in Athen. Sie haben einen positiven Asylbescheid bekommen, aber erhalten keinerlei Unterstützung mehr. Für sie hat sich die Situation also dramatisch verschlechtert, wenn das überhaupt noch möglich ist. Kleine Hilfsorganisationen kümmern sich, so dass sie nicht obdachlos sind. Ihr Bedarf an Medikamenten wird über Spenden gedeckt, aber es ist ein täglicher Überlebenskampf. Eines ist klar: Hilfsorganisationen in Griechenland können das alleine nicht auffangen.

Du brauchst sehr viel Hoffnung, um deinen Job zu machen. Was lässt dich immer noch jeden Morgen aufstehen und die Ärmel hochkrempeln?

Egal wo ich hinkomme treffe ich auf Menschen, die den gleichen Wunsch nach Gemeinwohl haben und nach einem Leben im Einklang mit der Natur. Ich spüre eine universelle Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander und nach einem Umgang mit der Natur, der nicht ausbeuterisch ist. Das macht mir Hoffnung.

Wir können soziale Gerechtigkeit, Klimawandel und andere große Fragen nicht mehr als einzelne Themen betrachten. Es ist alles miteinander vernetzt. Mein Konsumverhalten hier beeinflusst auch Menschen in Bangladesch. Wir müssen aufhören, das alles voneinander losgelöst zu sehen.

Am Ende ist es für mich eine Frage der Abgrenzung. Ich muss in den Spiegel schauen können und mit mir zufrieden sein. Was andere machen, ist ihre Angelegenheit. Ich empfinde das was ich tue als Berufung und bin in Resonanz mit meiner Seele die sagt: „Alea, du bist genau richtig hier!“

Hast du Tipps für Menschen, die eine Berufung für eine persönliche Veränderung in sich fühlen, aber den Mut noch nicht haben, diese neue Tür aufzustoßen?

Ich habe da einen Vorschlag: Einen inneren Dialog zu führen mit dem jüngeren und dem älteren Ich, über die Frage, wie man das weitere Leben gestalten sollte. Das braucht ein bisschen Vorstellungskraft, aber bei mir kamen da sehr klare Antworten. Mein älteres Ich war überzeugt davon, dass ich – wenn ich so weitermache – meinen Enkeln niemals würde ohne Schuldgefühle in die Augen sehen können. Und mein jüngeres Ich ist sehr idealistisch. In den Antworten kann der Schlüssel liegen, sofern man bereit ist, ganz ehrlich mit sich selbst zu sein.

Was ist dir noch wichtig zu sagen, worüber wir noch nicht gesprochen haben?

Wir werden so sozialisiert, dass wir uns andere Lebensumstände nicht vorstellen und uns in die Situation anderer nicht mehr hineinversetzen können. Das gilt beispielsweise für die Perspektivlosigkeit die viele Flüchtlinge empfinden, aber auch für Hunger. Wir haben ein soziales Netz, niemand muss hier durchs Raster fallen. Man kann sich dagegen entscheiden, aber es ist eine Wahl. In vielen Ländern gibt es dieses Netz nicht und die Menschen haben keine Wahl. Wir gehören also zu einer Gruppe von Privilegierten. Wir sollten unsere Privilegien nicht einfordern oder uns darauf ausruhen – oder wie so gerne in der Flüchtlingspolitik geschieht – mit dem Finger auf andere zeigen. Ich finde dieses Privileg verpflichtet, dass wir uns für eine bessere Welt einsetzen.

Wir sollten gesellschaftlich darüber nachdenken was Privileg wirklich bedeutet. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass über die Auseinandersetzung damit, was ich im Leben  wirklich brauche und die aktive Veränderung des eigenen Verhaltens, die Zufriedenheit im Leben wächst. Nach dieser Form der Zufriedenheit zu suchen ist ein lohnendes Ziel.

Alea ich danke dir für dieses Interview!

Sehr gerne.

Alea mit gehörlosen Kindern in Namibia

Wer sich für Aleas Verein interessiert, dem empfehle ich ihren Internetauftritt unter: https://alea-ev.org

Sie ist auf Geldspenden angewiesen, sucht aber auch Helfer z.B. für die Veranstaltungsplanung zum Beispiel für Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und anderes.

Wer sich einbringen möchte kann direkt mit ihr Kontakt aufnehmen unter: alea@aleahorst.de

Unter diesem Link könnt ihr Aleas Kinderbuch „Manchmal male ich ein Haus für uns“ bestellen.

Kind im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos in Griechenland. Das Foto bildet das Cover zu Aleas Buch “Manchmal male ich ein Haus für uns”

 

 

Von lokaler Corporate Social Responsibility zum globalen Social Engagement

Gastbeitrag – Wie Gesellschaft und Unternehmen soziales Engagement innovativ leben und davon profitieren können

In den späten 1940er und frühen 1950er Jahren wurden eine Reihe von internationalen sozialen Organisationen gegründet. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds erweiterten zunehmend ihre Aktionsfront und förderten bald die “internationale Entwicklung”. Es entstanden neben den großen Entwicklungsorganisationen – u.a. WHO und UNICEF – viele gemeinnützige Organisationen, die sich in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Belangen engagierten. Viele davon wurden in mehreren Ländern, meist punktuell, aktiv. Die Gründung dieser multilateralen Organisationen und NGOs (Non Governmental Organizations, „Nicht Regierungsorganisationen“) trug entscheidend zur Internationalisierung des Entwicklungskonzepts bei. Die Wirtschaft spielte in jenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine sehr kleine Rolle, und wenn dann ausschließlich als „Geldgeber“.

Das ändert sich nun im neuen Jahrtausend, in welchem gleich zu Anfang „Vernetzung“ zu den großen Erfolgen und Treibern zählt. Der Siegeszug des Internets und die Diskussionen um neue vernetze Strukturen innerhalb von Unternehmen sind nur einige Beispiele hierfür.

Und im Kontext des sozialen Engagements? Die Bedeutung der Privatwirtschaft wurde größer, sogenannte PPPs (Private Public Partnerships) entstanden. Allerdings, auch hier treten Unternehmen zunächst meist nur in der Rolle als Geldgeber auf. Mit den in 2016 veröffentlichten UN Zielen für nachhaltige Entwicklung /Agenda 2030 sind Industrien und Firmen nun mehr denn je gefragt, aktiv und nachhaltig Beiträge zu leisten, die weit über Spenden, CSR (Corporate Social Responsibility) Aktionstage oder CSR Abteilungen hinausgehen. In einigen Ländern wie zum Beispiel Indien, sind regelmäßige Investitionen der Firmen in den sozialen Sektor sogar gesetzlich geregelt. Hierbei geht es nicht nur um Gelder, sondern auch die Vermittlung von Expertise und Vernetzung.

Die strikte Trennung zwischen sozialem, gesellschaftlichem Engagement einerseits und Business mit dem Ziel des maximalen Profits andererseits ist im Auflösungsprozess begriffen und wird zunehmend hinterfragt. Zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele bedarf es deutlich mehr als Spendengelder seitens Unternehmen und rein NGO getriebener Projekte „on the ground“. Die Missstände und Armut in vielen Ländern sind auch nach vielen Jahrzehnten des Engagements zahlreich und wirkliche systemübergreifende Änderungen bisher kaum sichtbar. Dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Deutlich wird jedoch: Es bedarf tiefergehender, systemischer Veränderungen, wie wir Entwicklung und Entwicklungsarbeit, aber auch Business verstehen und verbinden.

Im Zeitalter der Vernetzungen wird Entwicklungsarbeit noch immer sehr traditionell angegangen. Schaut man sich an, welche Entwicklungsarbeit stattfindet und in den Medien beschrieben wird, fällt auf: Es geht meist um große Kampagnen, wie Initiativen gegen Malaria oder HIV, es geht häufig um klar definierte, abgegrenzte und themenspezifischen Projekte und Zielgruppen – mehr Bildung bei Frauen, Kinderrechte, Brunnenbau und Wasserversorgung, landwirtschaftliche Projekte usw. NGOs und Unternehmen haben sich spezialisiert und nutzen ihre Expertise, um an von ihnen bestimmten Orten aktiv zu werden. Es wird viel getan, allerdings beschränken Firmen und NGOs sich häufig auf ihre eigenen Themen und ihre lokalen Engagement-Gebiete. Vernetzung? Ja, warum denn und mit wem? Und was würde das bringen?

„Vernetzt zu denken und zu handeln, also über Sektoren, Funktionen, Organisationsformen hinweg, gemeinsam mit anderen gleichzeitig und parallel in einem Entwicklungsgebiet aktiv zu sein, all das scheint noch ein weiter Weg zu sein, denn der Mehrwert wird erst im Laufe der Jahre sichtbar werden.”
– Manuela Pastore –

Es geht nicht um Wettbewerb, sondern um ein Miteinander. Es ist komplex und viele Prozesse müssten neu definiert werden. Es ist definitiv einfacher, wenn es nur um die eigenen Belange und Projekte geht – und man engagiert sich ja schließlich. Das kann man gezielt zeigen, den eigenen Aktivitäten zuschreiben, es dauert nicht ewig und es versteht jeder. Man hilft dort, wo es offensichtlich am meisten brennt. Und für die eigene Organisation am besten passt. Das Entwicklungsengagement geschieht im Rahmen der eigenen innerorganisatorischen Rahmenbedingungen, der eigenen Satzung und Expertise, offensichtlich sinnvoll und vertretbar. Firmen und NGOs engagieren sich gerne dort, wo ihre Expertise liegt. Eine IT Firma im IT Bereich, ein Pharmaunternehmen im gesundheitlichen Bereich, ein Bildungsunternehmen im Bildungsbereich. Das macht ja auch Sinn. Und ist nach innen hin auch gut nachvollziehbar.

Über egozentrische Ansätze und das große „Aber“

Das ist allerdings der Blick aus Sicht unserer Organisationen und unseres Organisationsverständnisses. Wir engagieren uns, tun, was wir im Rahmen unserer sozialen Verantwortung als für unsere Organisation sinnvoll und moralisch wertvoll erachten. Individuell, erfolgreich, klare Zielsetzung und – wenn es gut läuft – auch eine perfekte Zielerreichung, so wie wir sie definiert haben. Business-like, prozessorientiert und -optimiert, messbar. Eigentlich perfekt, oder? Es geht um uns und unsere Ziele, um Projekte, um Zahlen – und klar, auch um die Menschen, für die wir etwas tun.

Allerdings geht es weniger um Vernetzung und systemverändernde Ansätze. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg… und auch viel schwieriger. Denn dazu wäre ein eher langfristiges Engagement gefragt, risikoreicher, schwieriger messbar und damit auch schlechter zu kommunizieren – nach innen und außen. Wer spendet, mag es am liebsten sehr konkret. Wer im größeren Rahmen investiert, ebenfalls – und zwar genau für das eine auserwählte Projekt, nicht aber unbedingt, um dieses eine Projekt mit anderen zu verknüpfen, auch wenn langfristig 1 und 1 = 3 oder mehr machen könnte.

Richtet man einmal den Blick weg von uns hin zu den Bedürftigen, sieht es anders aus. Was nutzt das beste Screening-Programm, wenn an anderer Stelle viele Krankheiten durch verunreinigtes Wasser entstehen oder das Einkommen fehlt, um sich gesund zu ernähren und zu bewegen? Wenn es keine Möglichkeiten gibt, sich Hände zu waschen und Seife zu bekommen? Wenn Internetflat und Handys verteilt sind, aber die Menschen nicht wissen, wie sie das Internet bedienen und welche Risiken es birgt? Wenn Business-Skills fehlen, um das eigene Einkommen weiterzuentwickeln? Wenn es keine Arbeit gibt, wenn Bildung fehlt?

Genau hier ist ein strategisches Umdenken nötig. Weg von uns und unseren Organisationszielen und hin zu den Menschen, die es betrifft.

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Doch nun ein wenig Konkretes: Mein Name ist Manuela Pastore, ich leite seit 7 Jahren eine globale sozialunternehmerische Initiative bei Boehringer Ingelheim, einem internationalen Pharmaunternehmen mit rund 50 000 Mitarbeitern. Im Rahmen dieser Initiative, Making More Health (MMH) fördern wir viele Sozialunternehmen weltweit, bauen Netzwerke und binden MitarbeiterINNEN aus unterschiedlichsten Abteilungen und Ländern aktiv in die Projekte ein. In unseren zwei Hauptregionen in Südindien und Westkenia haben wir viele Projekte auf einem Gebiet von jeweils 30, 40 qkm angestoßen und arbeiten mit unterschiedlichen Zielgruppen parallel und verknüpfen diese. Projekte entstehen nach und nach, basierend auf den Bedarfen der Menschen vor Ort. Auch solche, die nicht unmittelbar mit Gesundheit zu tun haben.

Dahinter steckt die Idee, statt einiger weniger fokussierter Projekte eine holistische Systemveränderung herbeizuführen. Zusammen MIT den Mensch vor Ort, nicht FÜR sie. Unter Einbindung von lokalen NGOs, Sozialunternehmen aus unserem Netzwerk, Mitarbeitern und ersten externen Partnern. Partnerschaftlich, in einer Weise, die alle profitieren lässt – auf unterschiedliche Weise. Wir sehen MMH nicht vorrangig als CSR, nicht als soziales Engagement, sondern vor allem auch als eine Möglichkeit, Dinge anders zu sehen und zu erfahren, andere Fragen gestellt zu bekommen und anders zu fragen, folglich auch Dinge anders zu tun. Und haben festgestellt: Das bietet einen enormen Raum für Innovation, auch für das eigene Business.

Wir machen Gesundheitstrainings und fragen dabei die Menschen, welche Themen sie interessieren. Das ist nicht unbedingt das, was wir aus unserer Expertise heraus anbieten würden. Übrigens, was meinen Sie, welche Gesundheitsthemen hier genannt wurden? (siehe *Auflösung am Ende des Blogbeitrags)

Eröffnung eines health awareness centers im tribal hospital, Kotthara, Indien
Hygienetraining ländliches Indien
Digital Training in Indien

Zudem finden auch digitale Trainings statt, um den Zugang zu Wissen zu erleichtern, wir schicken unsere ChemikerINNEN und PharmazeutikerINNEN vor Ort, damit einkommensschaffende Maßnahmen wie Seifenherstellung trainiert werden können.

Seifenherstellung in Indien

Wir sammeln Materialien aus unseren eigenen Trainings und von unseren Partnern und stellen sie auf einer Plattform kostenfrei allen Interessenten zur Verfügung, die an anderen Orten ähnliche Trainings durchführen wollen. Es macht ja keinen Sinn, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Besser damit zu arbeiten und Dinge zu implementieren, oder? Poster, Flyer, einen Covid19 Awareness-Song, Spielkarten, die Gesundheitswissen vermitteln und vieles mehr finden sich hier.

Falls Sie Material haben, das für die Plattform interessant ist, kontaktieren Sie mich gerne.

Bei einwöchigen Führungskräfte-Trainings engagieren sich unsere MitarbeiterINNen gleich vor Ort und unterrichten unsere Selbsthilfegruppen und weitere Interessierte in Marketing und Vermarktung, Businessplanung, Tiergesundheit und Sicherheit im Alltag. Ein Großunternehmen hat Experten aus fast allen Bereichen. Warum sollten wir also nur Gesundheit unterrichten? Was am meisten verwundert? Wir, die Menschen aus entwickelten Ländern, sehen Dinge plötzlich anders, erkennen neue Zusammenhänge und verstehen, dass Armsein nicht automatisch bedeutet weniger glücklich zu sein – im Gegenteil. Zurück im Berufsalltag stellen wir neue Fragen und finden andere Antworten. Mehr dazu unter: https://www.makingmorehealth.org/shared-value/leadership-programs

MMH Leadership Insights Week

Und was lernen wir vor Ort aus den Projekten und in unserem Netzwerk mit Sozialunternehmern? 

Gesundheitswissen alleine reicht nicht, um mehr Gesundheit zu schaffen. Die Menschen vor Ort brauchen holistische Lösungen, auf denen sie ihren Alltag aufbauen können. Es bedarf neben mehr Gesundheit auch Infrastrukturen, Möglichkeiten Geld zu verdienen, Bildung. All das muss so aufgebaut sein, dass die Menschen ihre Werte und Kulturen darin wiedererkennen, möglichst viel selbst daran beteiligt sind und Lösungen auch krisenresistent sind. Krisensituationen wie Covid-19 oder Überflutungen können schnell Erreichtes zunichte machen – oder auch zeigen, dass unsere Trainings erfolgreich sind.

So wurde in den vergangenen COVID-19 Monaten unsere Community mit Menschen mit Albinismus ( wir arbeiten hier zur Zeit mit 130 Familien ) – in Webuye, Westkenia – zu „Helden“. Menschen mit Albinismus werden in Ostafrika häufig verfolgt, angegriffen und sogar getötet; es gibt viel Aberglaube und viel Elend. Anders in Webuye: Unsere Community hat die Kleinstadt mit Flüssigseife und Hygienewissen versorgt, ob es die Boda-Bodas ( Motorrad nutzende Taxifahrer) waren, ob Schüler oder ältere Nachbarn. Die lokalen Medien berichteten mehrfach darüber. Unsere Community setzt sich nicht nur für andere ein, sondern verkauft auch Seife, wo möglich. Inzwischen züchten sie auch Hühner, bauen Schultische und bilden sich ständig weiter. Sie engagieren sich auch für andere Menschen mit Albinismus und teilen ihr Wissen mit Armen. Die Seifenrezeptur wurde kurzerhand gefilmt und digital weitergegeben. So kann Seife und Basiswissen zum Thema Händewaschen nun auch von Slumbewohnern in Nairobi hergestellt und weitergegeben werden. Ebenso am Viktoriasee. Und innerhalb landesübergreifender Albinismus-Communities.

Was bei diesem vernetzten Ansatz weiterhin auffällt: Die Betroffenen entwickeln eigene Ideen, sind selbstbewusst und – sie sehen sich selbst anders und werden anders gesehen. Basierend auf dem Netzwerkansatz.
Ein schönes Beispiel, was möglich ist. Doch lange nicht genug. Mehr dazu: https://www.makingmorehealth.org/content/covid-19-our-project-partners-africa-help-others-protection-virus

Albinism Webuye

Ein einzelnes Unternehmen, eine einzelne Organisation wird nicht in der Lage sein alle notwendigen Änderungen herbeizuführen

Die Menschen vor Ort stehen vor komplexen Herausforderungen. Tag für Tag, von morgens bis abends. Fehlende Infrastrukturen, fehlendes Wissen. Armut, wenig Gesundheit … Ähnlich eines Marktplatzes bedarf es nicht nur eines Apfelverkaufsstandes, um einen Markt nachhaltig aufzubauen. So geht es auch nicht darum, als einzelner Investor möglichst viele auf bestimmte Themen oder Zielgruppen fokussierte Projekte durchzuführen und zu skalieren, sondern auch und vor allem darum, gemeinsam mit den Menschen vor Ort und vielen weiteren Investoren/Partnern zeitlich und örtlich parallel Systemveränderungen in unterschiedlichsten Lebensbereichen herbeizuführen und diese zu vernetzen.

“Daher suchen wir mit MMH nach Partnern, Sozialunternehmen, NGOs, anderen Firmen aus unterschiedlichsten Sektoren, die sich gemeinsam mit uns, aber vor allem auch mit den lokalen Vertretern und Bevölkerungsgruppen engagieren, Lösungen entwickeln und zusammenbringen.” – Manuela Pastore

Das wichtigste dabei ist Vertrauen zu schaffen, in alle Richtungen. Zu verstehen, was wirklich benötigt wird (und nicht unsere eigenen Ziele in den Vordergrund zu stellen) und dabei die Menschen vor Ort so zu stärken, dass sie es eigenverantwortlich weiterführen und aufbauen können. Wir müssen weg von individuellen Zielen hin zu Netzwerkstrukturen und systemischen  Veränderungen. Und hierbei einen Mehrwert für alle schaffen, auch für die Organisationen selbst. Weg von individuellen, egozentrisch getrieben Projekt-Kennwerten und -Messungen hin zu einem tatsächlichen Mehrwert, der Innovationen für eine bessere Zukunft bringen kann. Aus sozialem Engagement heraus. Für die Menschen in Not, für unsere Umwelt und auch für unser Business der Zukunft. Ich bin sicher wir in unserer „entwickelten“ Welt werden viel dabei lernen und entdecken, neue Fragen stellen und andere Antworten finden.

„Innovationen beginnen dort, wo neue, ungewohnte Partnerschaften entstehen.” – Manuela Pastore

Wo wir neue Partnerschaften entdecken und fördern, wie solche mit Sozialunternehmen, die ähnlich wie Startups unternehmerische – teils „wilde“ – Ideen verfolgen, hierbei aber gesellschaftliche Herausforderungen in den Mittelpunkt stellen. Ashoka, eine sehr große und globale NGO, und einer unserer langjährigen MMH Partner, sucht nach solchen engagierten Startups, bringt sie durch Selektionsprozesse (hierbei werden nur ca. 5 von 100 Sozialunternehmer Ashoka fellows auf Lebenszeit) und bildet ein Netzwerk mit „Ashoka fellows“. In unserer MMH Initiative unterstützen wir diese und versuchen sie an unsere Projekte anzudocken oder auch unsere Erfahrungen an sie weiterzugeben. Das wiederum hilft den Sozialunternehmen, ihre Startups mit mehr Expertise zu führen und wirkt sich auf deren Arbeit in der Gesellschaft aus. Und es hilft unseren Führungskräften voneinander zu lernen und Mehrwert für alle zu schaffen. Es ist ein längerer, vielleicht auch ungewohnter und vor allem neuer Weg, diese notwendigen Netzwerke und damit vernetzte Entwicklungsarbeit weiterzuentwickeln. In den vergangenen zehn Jahren haben wir hierbei viele Dinge gemeinsam erlebt, getestet, und weiter entwickelt, und MMH ist zwischenzeitlich zu einer Bewegung geworden, die sich über Funktionen intern und sehr unterschiedliche Zusammenarbeit mit externen Partnern hinweg aufbaut. Es ist dort angekommen, wo es vor vielen Jahren als Vision begonnen hat – eine Brücke zu bauen zwischen sozialer und Businesswelt. Mit vielen Facetten und netzwerkartiger „ansteckender“ Ausbreitung.

Es gibt viele begeisterte Menschen, die Sinnhaftigkeit suchen und innerhalb MMH nun auch Möglichkeiten finden, ihren beruflichen Alltag und gesellschaftliches Engagement zu verbinden, und dabei Businessideen entwickeln, die der künstlichen Trennung von sozialer Welt und Businesswelt entgegenwirkt. Schließlich gibt es nur diese eine Welt. Wir werden zukünftig besonders fokussiert auch nach weiteren externen Partnern suchen, um die nächsten Schritte gemeinsam voranzutreiben. Nach der internen funktionsübergreifenden Ausbreitung von MMH und aktivem, fortlaufendem Mitarbeiterengagement aus unterschiedlichsten Richtungen, die wieder zu vielen weiteren Ideen und Beiträgen vor Ort geführt haben, werden externe Partner hier noch viel mehr Impact schaffen können. Und auch davon profitieren.

Falls das für Sie interessant ist und Sie auch einmal dabei sein wollen – wir haben unsere Führungskräftewochen nach extern geöffnet:
Informationen zu unseren Führungskräftewochen (PDF)

Wir werden es schaffen, wenn… ja, wenn wir – jeder einzelne von uns – wo und in welchem Bereich auch immer wir arbeiten, traditionelles isoliertes „CSR versus Business“-Denken überwinden und eine Chance darin erkennen, gemeinsam mit anderen eine bessere Welt zu schaffen. Ob bei Businessentscheidungen im Alltag generell oder bei konkreten gesellschaftlich orientierten Projekten vor Ort. Wenn wir nicht nur in technische Entwicklungen investieren, sondern auch in soziale Innovationen und dabei auch Risiken auf uns nehmen. Denn nicht alle Ansätze werden zum Erfolg führen. Aber das tun sie auch bei technischen Innovationen nicht. Wenn wir Partner in anderen Unternehmen finden, die auch über die üblichen Nachhaltigkeitsprojekte und CSR-Abteilungen hinaus mehr erreichen wollen. Das ist nicht einfach.

Nur: Innovationen und Systemveränderungen waren nie einfach, wenn sie Großes bewirkt haben. Aber eine bessere Welt sollte es uns wert sein und wir sollten es versuchen, oder?

Ihre

Manuela Pastore,
Global Lead Making More Health (MMH), Boehringer Ingelheim

Manuela Pastore – Global Lead MMH Boehringer Ingelheim

Manuela wurde früh geprägt durch Erfahrungen in länglichen Regionen Süditaliens, wo sie die Herausforderungen von Jobverlust, Armut und Umwelteingriffen miterlebte. Heute packt sie in Indien und Kenya persönlich an, unter anderem durch Trainingsprogramme und den Aufbau von Kleinstgewerben. Sie führt regelmäßig Leadership-Trainings im ländlichen Indien und in Westkenya durch, an denen „Influencer“ mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aus verschiedener Unternehmen, teilnehmen. Dadurch hat sie eine regelrechte Bewegung sozialer Intrapreneure geschaffen, die durch systemveränderndes Denken und Handeln – auch im täglichen Kerngeschäft – auffallen. Manuela ist bekannt als Sprecherin von MMH und als Netzwerkerin, die sich unermüdlich für die Erweiterung der Zusammenarbeit von NGOs und sozialer Entrepreneure einsetzt.

Kontakt:

mailto:pastore.manuela@googlemail.com

Vernetzen:

https://de.linkedin.com/in/manuelapastore

Weiter Infos:

Making Health: Wie Manuela die Welt ein bisschen gesünder macht

www.makingmorehealth.com

www.gokenyagofuture.com (privater Blog)

www.goIndiagofuture.com (privater Blog)

*Auflösung der Frage im Text, für welche Gesundheitsthemen sich Menschen vor Ort interessieren: Wir haben ca. 20 Dörfer befragt, dort vor allem Selbsthilfegruppen/Frauen. Dabei wurde als wichtigstes Thema Tiergesundheit genannt. Hintergrund ist, dass Tiere häufig die erste und einzige Einkommensquelle sind. Weitere Themen waren v.a. Hygiene, Schwangerschaft, Ernährung, mentale Gesundheit, Sicherheit, Erste Hilfe, Gesundheitschecks, die selbst durchgeführt werden können ( wie Bluthochdruck messen), und – in dieser Reihenfolge – auch mehr Wissen zu Infektionskrankheiten und chronischen Erkrankungen.