Im Gespräch mit: Prof. Dagmar Fischer – über Netzwerke

“Die Schlüssel zum Erfolg sind gute Kommunikation und ein hoher Grad an Vernetzung” – Prof. D. Fischer

Man möchte meinen der Professorin für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die derzeit auch Präsidentin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) ist, sei die Wissenschaft bereits in die Wiege gelegt. Weit gefehlt: Die bayerische „Landpflanze“ (Originalton) war ihre Kindheit und Jugend hindurch fest davon überzeugt, dass sie einmal Tierärztin wird. Zahlreiche Wesen, darunter Kätzchen, Tauben und sogar Goldfische haben von dieser Ambition profitiert. Vom Leben auf dem Land hat sie das Gärtnern auf den Balkon hinübergerettet, fein getrennt, rechts Blumen, links Kräuter und Gemüse. Noch heute fährt sie – wenn sie richtig gestresst ist und Abstand braucht – zur Familie auf´s Land. Das heimische Netzwerk und die Wasseroberfläche beim Schwimmen, allein am Morgen, trägt sie dann – bis der Akku wieder voll ist.

Dagmar, warum bist du eigentlich nicht Tierärztin geworden?

Das liegt tatsächlich am Berufsberater der Schule. Ich hatte neben der Medizin noch viele andere Interessen und er hat mich gefragt, warum ich nicht Apothekerin werde. Das Berufsbild des Apothekers um die Ecke fand ich allerdings zunächst nicht so stylish. Ich habe mich dann doch intensiver mit dem Berufsfeld befasst und festgestellt, dass ich damit sehr viele Möglichkeiten habe. Ich kann auch in die Industrie gehen, in Krankenhausapotheken und natürlich in die Forschung.

Ich habe als Pharmazeutisch-technische Assistentin angefangen. In der Apotheke hat mir die praktische Arbeit der PTA sehr viel Spaß gemacht, aber der Alltag hat mir auch gezeigt, dass ich mit mehr Wissen weiterkommen kann. So habe ich das Studium der Pharmazie begonnen, das ich finanziert habe, indem ich als PTA weiter gearbeitet habe.

Als ich an der Universität mit der Wissenschaft und Forschung in Berührung kam wusste ich: „Das ist meins!“ Dinge auszuprobieren, von denen andere sagen, „das kann überhaupt nicht klappen!“ Ich fand es spannend völlig neue Sachen zu machen.

Hast du deine Karriere in der Wissenschaft geplant?

Mein Lebenslauf ist alles andere als geradlinig und nicht geplant. Wenn ich bei einer Karrierestufe ans Ende kam habe ich immer geschaut welche Möglichkeiten ich habe, was sich mir als nächstes bietet. Ich habe immer geschaut welche Wege mir offenstehen und mich gefragt: „Welche Chancen habe ich dort und was kann ich lernen? Was ist für mich neu?“

Mir haben Kollegen vorausgesagt in die Industrie zu gehen sei ein Karrierebruch. Das würde nie wieder in die Universität zurückführen. Ich habe es trotzdem gemacht und bin an die Universität zurückgekehrt. Das was ich in den Jahren in der Industrie gelernt habe ist heute für mich unbezahlbar. Dieser Ausreißer ist einer, der mich von vielen Kollegen unterscheidet.

Das klingt ein bisschen so als würdest du – um bei deinem Sport zu bleiben – gerne gegen den Strom schwimmen. Stimmt das?

Nicht notwendigerweise. Es ist eher so: Wenn ich eine Weile lang Dinge gemacht habe und feststelle, dass ich sie kann, dann muss eine neue Herausforderung kommen. Dann muss ich etwas ausprobieren, um zu schauen ob das auch noch geht. Wenn ich mir ein neues Feld anschaue, dann frage ich mich ob ich dazu etwas beizutragen habe. So bin ich Studiendekanin geworden oder Präsidentin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Ich schaue also immer, ob ich etwas beitragen kann in einem Betätigungsfeld in dem ich bisher noch nicht aktiv war. So kommt es zu meinem „Sammelsurium“ an Erfahrungen.

Was wäre dein Rat an Frauen, die Professorin werden wollen?

Sie brauchen zunächst einmal einen langen Atem und Durchhaltevermögen. Was für mich gut funktioniert hat waren universitäre Mentoring-Programme. Hier habe ich Frauen kennengelernt, die auch andere Wege gegangen sind. Für mich waren diese Begegnungen ein Schlüsselerlebnis. Bis heute ist es nämlich so, dass ich hauptsächlich Männer um mich habe. Als ich diese Frauen kennenlernte, wuchs in mir das Vertrauen, dass so eine Karriere machbar ist. Inzwischen bin ich selbst Mentorin im Postdoktorandinnen-Programm des Universitätsbundes Halle-Jena-Leipzig

Was denkst du, warum es so wenige Frauen in oberen Führungsebenen gibt?

Frauen stehen sich an vielen Stellen selbst im Weg, z.B. was unser Kommunikationsverhalten angeht. Wir sind sehr viel realistischer in der Einschätzung was wir können und was wir nicht können. Männer sind deutlich aktiver darin ihre Vorzüge darzustellen.

Bei den Studentinnen hier an der Universität beobachte ich oft auch ein anderes Selbstverständnis. Ihre Ansprüche sind andere. Da geht es gar nicht so sehr um „Frauen nach vorne!“, sondern oft um eine Ausbildung bei der sie ihren Beruf mit ihrer Familienplanung gut verbinden können. Wo wir noch das Gefühl hatten kämpfen zu müssen, ist es für Frauen heute in vielen Bereichen selbstverständlich geworden, dass es Gleichberechtigung gibt. Sie nehmen die sogenannte gläserne Decke für sich gar nicht wahr. Ich bin allerdings überzeugt, dass es sie gibt. Auch heute gibt es noch reine Männergesellschaften, die wir nur ganz langsam erobern.

Du hast sehr viele Positionen inne. Wie organisierst du dich und dein Umfeld, um den Überblick über die Aufgaben zu behalten?

Dass ich keine Familie zu koordinieren habe erleichtert natürlich vieles. Um alle meine verschiedenen Aufgaben zu erfüllen brauche ich viel Disziplin, was nicht so den Eindruck erweckt, wenn man die Papierstapel auf und unter meinem Schreibtisch sieht. Da fragt sich so mancher, ob ich noch den Überblick habe. Ich habe einen Trick, um mich zu organisieren, der für mich als optischer Typ gut funktioniert: Ich male mir einen Wochenplan optisch, grafisch auf ein Blatt Papier. Das liegt auf meinem Schreibtisch ganz oben. Was da draufsteht, darf ich auf keinen Fall vergessen. Meine Erfahrung in den verschiedenen Positionen in denen ich mich um Projektmanagement gekümmert habe hilft mir natürlich Aufgaben auch zeitlich gut zu koordinieren.

Noch wichtiger ist aber mein Team. Ich habe Mitarbeiter die alle super zusammenarbeiten und ihre Aufgaben im Griff haben. Der Schlüssel ist gute Kommunikation und ein hoher Grad an Vernetzung. So weiß jeder was er zu tun hat. Gute Kommunikation heißt für mich auch extrem kurze Wege zu meinen Mitarbeitern, meine Tür steht immer offen. Transparenz ist wichtig, jeder weiß was läuft. So können Mitarbeiter sich gegenseitig und natürlich auch mich entlasten. Dieses Netzwerk funktioniert hervorragend ohne dass ich eingreifen muss. Ich habe ein Labor, ein Sekretariat und in der DPhG eine Geschäftsstelle. Dort sitzen Leute die wissen was zu tun ist und alles im Griff haben.

Wie stellst du sicher, dass neue Mitarbeiter in dieses Netzwerk passen?

Kommunikationsfähigkeit ist ein wichtiger Punkt. Apotheker kommunizieren von sich aus schon sehr gerne, das haben sie gelernt. Ich schaue darauf, dass die Menschen teamfähig sind. Da verlasse ich mich nicht nur auf mein Urteil. Jeder Bewerber verbringt mit dem gesamten Team eine Kaffeepause. Mein Team hat dann auch das letzte Wort, denn Bewerber öffnen sich im Team ganz anders als bei mir. Selbst wenn die wissenschaftliche Qualifikation stimmt stelle ich die Person nur ein, wenn sie zur Gruppe passt.

Auch die Forschung braucht Netzwerke. Magst du allgemeinverständlich beschreiben woran du forschst?

Wir beschäftigen uns mit Nanomaterialien – also winzigen synthetischen oder natürlichen Werkstoffen – die wir in Arzneistoffträger verwandeln. Anders gesagt: Wir entwickeln neue Wirkstoffträgersysteme. Wir schauen also, wie wir medizinische Wirkstoffe verpacken können, so dass sie zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Weg im Körper finden können. Wir konzentrieren uns auf Infektionen und Entzündungen oder entzündungsassoziierte Erkrankungen die in der alternden Gesellschaft eine Rolle spielen. Diese Erkrankungen sind ähnlich, hängen miteinander zusammen und sind hochaktuell.

In den letzten Jahren fokussieren wir außerdem auf das Thema Nachhaltigkeit. Hier habe ich in Jena verschiedene Partner zusammengebracht. Es gab hier schon Ansätze Trägermaterial – die Nanozellulose –  durch Bakterien auf natürlichem Wege herzustellen. Die Bakterien „spinnen“ dabei Nanozellulosefasern zu einem Netz. Außerdem wurden zusammen mit dem Polysaccharid-Zentrum in Jena Zuckerderivate zu Trägersystemen umgewandelt. Andere Kollegen untersuchen natürliche Substanzen wie z.B. Weihrauch als Wirkstoffe. Die dritte Komponente ist der Prozess der Verpackung, also wie bringe ich die natürlichen Wirkstoffe in die natürlichen Trägersysteme. Dazu verwendet man üblicherweise z.B. organische Lösungsmittel. Wir erforschen z.B. wie wir diese Lösungsmittel durch nachhaltige Komponenten austauschen können.

Und dann gehen wir noch einen Schritt weiter, denn Arzneimittel müssen getestet werden. Wir haben als Alternative zum Tierversuch eine Methode mit Hühnereiern entwickelt. Damit können wir beispielsweise Wirkstoff-Verteilung und -Freisetzung sowie Verträglichkeit untersuchen. Wir haben uns also auf allen Ebenen, vom Wirkstoff über das Trägersystem bis hin zu den Tests in Richtung Nachhaltigkeit bewegt.

Du kümmerst dich auch um die Verankerung von Unternehmertum und Entrepreneurship an der Universität. Wie sieht das praktisch aus?

Gründungen werden in ganz Thüringen stark gefördert. Die Universität Jena hat ein sehr ausgeprägtes Gründersystem mit Gründungsbotschaftern. Ich bin die Gründungsbotschafterin für den Bereich Biowissenschaften. Damit stehe ich den Gründern als Ansprechpartnerin von der wissenschaftlichen Seite her zur Verfügung. Wir schauen uns in einer sehr frühen Phase an, ob die Gründungsidee Erfolg haben kann. Wir geben auch Tipps z.B. zum Thema Dokumentation. Das ist wichtig damit die Idee patentfähig ist oder von Behörden anerkannt werden kann. Wir knüpfen Verbindungen z.B. zu Patentanwälten oder bei der Organisation von Gründerräumlichkeiten.

Unsere Studierenden lernen schon im Studium was Patente sind, wie die Qualität der Idee gesichert werden kann. Außerdem werden sie sensibilisiert dafür was für die Unternehmensgründung gebraucht wird. Von der Universität werden z.B. Workshops durchgeführt, wie man ein kleines Unternehmen aufbaut, wie man Unternehmer wird und was eine Unternehmerpersönlichkeit ist. Das heißt von der Theorie bis hin zum praktischen Handwerk werden Grundlagen vermittelt.

Dass die Universität dabei erfolgreich ist zeigt das Beispiel meiner Mitarbeiterin, die schon während ihrer Habilitation ein kleines Unternehmen gegründet hat. Heute hat sie mehr als 20 Mitarbeiter und ist im Bereich Kosmetik und Medizinprodukte am Markt erfolgreich etabliert.

Der Erfolg liegt sicher auch an der besonderen Art wie wir hier in Jena interagieren. Das fällt auch Stiftungsgebern auf, die Großprojekte oder Sonderforschungsbereiche begutachten. Dann hören wir häufig, dass wir hier eine besondere Kooperationsmentalität haben. Der Informationsfluss über verschiedene Bereiche hinweg ist enorm.

Die Tatsache, dass sich hier viele Unternehmen bereits etabliert haben zieht natürlich auch andere Unternehmen an. Die Thüringer Pharma-Community unterstützt dies. Alle Pharma-Unternehmen treffen sich regelmäßig – auch mit den Pharmazeuten an den Hochschulen. Es erfolgt ein reger Austausch darüber, was gerade an Projekten bearbeitet wird. Wir schauen beispielsweise, ob wir gemeinsame Anträge stellen oder an Projekten gemeinsam arbeiten können. Wir haben sogar eine gemeinsame Homepage.

Dieses aufeinander zugehen – das Netzwerken – ist sicher außergewöhnlich und zeichnet Jena besonders aus.

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Gründer sind anfangs häufig überwältigt von den Aufgaben und erleben zahlreiche Niederlagen. Wie gehst du mit Niederlagen um und wie motivierst du dich danach?

Winston Churchill soll einmal gesagt haben, „Erfolg besteht darin sich von Niederlage zu Niederlage zu hangeln, ohne den Enthusiasmus zu verlieren.“

Ich kenne Misserfolg als heftigen emotionalen Peak in dem ich mich meist über mich selbst aufrege. Aber dann werde ich schon vom nächsten Problem eingeholt, so dass ich gar keine Zeit habe mich lange damit zu befassen. Was ich versuche ist, die Einstellung die ich aus meiner Zeit in den USA mitgebracht habe zu kultivieren. Wenn dort jemand scheitert, sagen die Menschen: „Super, er hat etwas ausprobiert! Er ist zwar damit gescheitert, aber er ist einen neuen Weg gegangen.“ Ich für mich versuche nach dem Scheitern auf einem anderen Weg trotzdem zum Ziel zu kommen.

Du bist bis 2023 Präsidentin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Wie lässt sich die Aufgabe der DPhG zusammenfassen?

Die DPhG beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Seite der Pharmazie. Wir fördern Wissenschaft auf allen Gebieten der Pharmazie. Was heißt das? Zum einen stärken wir die Kooperation der verschiedenen Fachdisziplinen untereinander und fördern damit die experimentelle Forschung und die wissenschaftlich orientierte Fortbildung.

Unsere zweite Aufgabe ist es, die Interessen derer zu vertreten, die pharmazeutisch-wissenschaftlich orientiert sind und z.B. Stellung zu nehmen zu aktuellen Problemen und Fragestellungen. Wir vertreten die wissenschaftliche Pharmazie gegenüber der Bundesregierung, aber auch anderen Anspruchsgruppen. Und schließlich beraten wir auch: Zu Ausbildungsfragen oder zu Fragen über Arzneimittel, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Was hast du dir für deine Zeit als Präsidentin vorgenommen?

Ich versuche den Spagat zu machen zwischen der wissenschaftlichen Pharmazie und der Pharmazie in der täglichen Anwendung. Damit meine ich, die Erkenntnisse aus dem Elfenbeinturm Wissenschaft hinein in die Praxis zu transferieren.

Dazu brauchen wir Fortbildung der Apotheker in öffentlichen Apotheken und im Krankenhaus. Dazu brauchen wir auch aktuelle Ausbildungsinhalte, also die Modernisierung des Studiums der Pharmazie und die Stärkung der klinischen Pharmazie.

Was sind die Herausforderungen für diesen Transfer und wie können sie gemeistert werden?

Die Pharmazie ist ein Gebiet das sich rasant schnell entwickelt. Hier alle Bereiche mitzunehmen und aktuell zu halten ist eine Herausforderung, der wir uns stellen. Wir stehen ständig vor neuen Problemen – wie sich aktuell in der Corona-Krise gezeigt hat. Hier brauchen wir neue Konzepte und auch neue Kommunikationswege.

Mein Vorteil ist, dass ich genau in diesem Transferbereich arbeite, in dem Grundlagenforschung in Anwendung übersetzt wird. Wir hören uns von allen Fachdisziplinen an wo die Bedürfnisse liegen und reagieren entsprechend darauf.

Was bedeutet das für die pharmazeutische Ausbildung?

Wir nehmen uns vor, die Veränderungen bereits in das Pharmazie-Studium einzubringen, z.B. die Orientierung hin zur Forschung und die wissenschaftliche Herangehensweise. Darüber hinaus haben Themen wie Digitalisierung oder Personalisierung oder Qualitätssicherung Bedarf zur Aktualisierung.

Ganz wichtig ist mir: Wir wollen hin zum kompetenzorientiertem Lernen, also weg vom Faktenwissen hin zu Problemlösungen. Dazu bringen wir Studenten in Kontakt mit verschiedenen Stakeholdern. So lernen sie nicht nur Apotheker kennen, sondern haben auch Kontakt mit Mitarbeitern aus der pharmazeutischen Industrie, die z.B. aus praktischer Sicht Vorträge halten. Wir veranstalten mit der Pharma-Industrie zusammen auch Workshops oder Doktorandentagungen vor Ort, was Studenten und Doktoranden auch die Möglichkeit gibt, potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen.

Meine Doktoranden bekommen außerdem Trainings, z.B. zum Thema Projektmanagement. Denn was ich häufig erlebe ist, dass es Schwierigkeiten bereitet schon alleine die eigene Projektidee zu formulieren. Was ist mein Produkt? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Wer sind die Zielgruppen mit denen ich kommunizieren muss?

Welche Inhalte wünschen sich denn die Studenten?

Studenten wünschen sich, dass Interdisziplinarität und Kommunikation verstärkt trainiert werden. An vielen Universitäten werden z.B. Pharmazie- oder Anatomie-Kurse für Mediziner und Pharmazeuten gemeinsam veranstaltet, was das gegenseitige Kennenlernen über die Disziplinen hinweg fördert. Fachgespräche zwischen Ärzten und Apothekern werden simuliert, um die Denkweise des anderen zu verstehen.

Zum Abschluss noch drei persönliche Fragen: Worauf bist du stolz?

Der größte Brocken den ich zu stemmen hatte war meine Habilitation. Das ging über viele Jahre mit Aufbau eines eigenen Forschungsprofils, Profilierung in der Lehre und Auslandsaufenthalt. Das war ein Projekt mit vielen Facetten das mich sehr lange begleitet hat. Es fiel zudem in die Zeit als Junior-Professuren aufkamen und die damals Habilitierenden als „verlorene Generation“ bezeichnet wurden.

In der unmittelbaren Zeit habe ich 2018 den Phoenix Pharmazie Wissenschaftspreis in der Kategorie „Pharmazeutische Technologie“ bekommen für unsere Arbeiten zur Entwicklung moderner Wundauflagen auf Basis der schon erwähnten Nanocellulose.

Wenn ich es persönlich formuliere bin ich stolz darauf, dass ich inzwischen ein Alter erreicht habe, in dem ich nicht mehr von der Meinung anderer abhängig bin. Ich betrachte viele Dinge inzwischen deutlich entspannter.

Wie sorgst du für „das Alter“ vor?

Diese Frage hat für mich sehr viele Komponenten. Die erste ist, wo ich im Alter gerne sein möchte. Den deutschen Winter finde ich nicht so erstrebenswert. Ich könnte mir einen zweiten Wohnsitz irgendwo im Süden vorstellen. Städtereisen möchte ich gerne machen, in Ländern die ich noch nicht gut kenne. Und ich wollte auch immer Archäologie und Geschichte studieren. Es erschien mir zwar damals eher brotlos aber es hat mich über die Jahre hinweg verfolgt. Ich würde mich diesen ganz anderen Themenbereichen gerne zuwenden, für die ich im Moment keine Zeit habe.

Bezüglich der Gesundheitsvorsorge hat mir der Corona-Lockdown in die Hände gespielt. Da ich dauerhaft zu Hause war, habe ich wieder angefangen Sport und Krafttraining zu machen. Und ich habe meine Ernährung umgestellt. Ich möchte das gerne beibehalten, da ich mich fitter und angenehmer fühle.

Was das finanzielle angeht verlasse ich mich auch hier auf mein Netzwerk. Ich habe Fachleute die mich optimal beraten und auf die ich mich verlassen kann.

Du sagst selbst, wenn du in einem Job alles gelernt hast, dann muss etwas Neues kommen. Welche Ziele hast du noch?

Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, wenn sich Dinge nicht in die Richtung bewegen die ich mir vorstellen könnte, oder schlimmer noch, wenn sich gar nichts bewegt. Die Pharmazie braucht noch mehr frischen Wind und in der pharmazeutischen Politik habe ich noch viel Luft nach oben. Ich könnte über die DPhG hinaus beispielsweise an der Universität stärker politisch aktiv werden. Hier stehen mir sicher noch viele Wege offen, um neue Strukturen und neue Ideen abseits der bisher üblichen Wege einzubringen.

Liebe Dagmar, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast das Thema Netzwerke auf vielen Ebenen zu beleuchten!

Vorgestellt – Prof. Dagmar Fischer:

Meine Gesprächspartnerin heute war Prof. Dr. Dagmar Fischer, Professorin für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Präsidentin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) von 2020-2023 und Trägerin des Phoenix Pharmazie Wissenschaftspreis in der Kategorie „Pharmazeutische Technologie“. Zudem war und ist sie in Gremien und Vorständen verschiedener Gesellschaften aktiv: In der Fachgruppe „Ausbildung und Wissenschaft“ der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik e.V. (APV), im Vorstand des Freundeskreis des Institutes für Pharmazie der Universität Jena sowie in der  Controlled Release Society Germany Local Chapter, dem sie in verschiedenen Funktionen, u.a. von 2011-2012 als Präsidentin, vorstand.
Ihr Publikationsverzeichnis umfasst mehr als 120 wissenschaftliche Veröffentlichungen und sie ist Autorin des Buches “Die Pharmaindustrie: Einblick, Durchblick, Perspektiven.”

Dieses Gespräch ist Teil meiner Serie “Im Gespräch mit…” von und für Menschen die inspirieren, quer denken, vernetzen, verändern und eine positive Einstellung ins Leben tragen.

Sie möchten jemanden aus Ihrem Netzwerk vorschlagen, dessen Stimme gehört werden sollte? Dann schreiben Sie mich gerne an!

Ihre

Heike Specht