„Hallo Zielgruppe, wollen wir uns kennenlernen?“ – 5 Tipps, um bei deinem Publikum sicher zu landen

Unsere Gastautorin heute ist Marie Luise Gillmann. Sie ist Germanistin, gelernte Buchhändlerin und als freie Rednerin selbstständig. Ihre Leidenschaft besteht darin, besondere Momente mit Menschen zu teilen und individuell die richtige Sprache für Gefühle zu finden, ob beim schönsten Tag des Lebens, oder beim Abschied von einem geliebten Menschen.
Mit ganz viel Gefühl für Sprache jongliert und experimentiert sie, bis sie die richtigen Worte gefunden hat. Für den PICUS Blog verrät sie 5 Tipps, wie auch wir die richtige Sprache für unser Publikum finden.

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Aller Emanzipation zum Trotz: Bei kitschigen Schmonzetten zücke ich gerührt das Taschentuch, während mich mein Verlobter nur verständnislos ansieht. Zum Ausgleich bin ich fassungslos, wann immer er sich vor Lachen biegt – bei schwarzen Komödien, deren derbe Komik sich mir einfach nicht erschließen will.

Zwischen Kitsch und Komik können Welten liegen, auch wenn die ausgelösten Emotionen in beiden Fällen über Sprache transportiert werden. Unsere Wut, Trauer oder Freude ist eng mit Sprache verknüpft. Von „Du Depp!“ bis „Ich liebe dich!“ ist sie das Ventil für unsere innersten Empfindungen.

Auch als Rezipient können wir Texten, die uns emotional ansprechen, besser folgen und sind eher bereit, dem vermittelten Inhalt Glauben zu schenken.

An sich nichts Neues – Kommunikationsgurus wie meine digitale Gastgeberin Heike Specht haben längst geschnallt, wie wir uns dieses Phänomen zunutze machen können.

Wieso schalten wir dann immer noch auf Flugmodus, sobald wir die Titelfolie der anstehenden Power-Point-Präsentation sehen? Weshalb wird in Fachartikeln informativ so oft mit langweilig gleichgesetzt?

Dahinter steckt nicht selten die Sorge, zu viel Emotion würde die Glaubwürdigkeit des Inhalts untergraben. Getreu dem Motto: “Je unverständlicher ich mich ausdrücke, desto kompetenter wirke ich.”

Dabei erreichen wir emotionale Bereitschaft für unseren Text nicht durch den inflationären Gebrauch von gefühlvollen Adjektiven oder eine passende Anekdote am Ende jedes Abschnitts.

So simpel es klingt: Die Grundlage dafür, Emotionen über Sprache zu transportieren, ist die Fokussierung auf unseren Adressaten.

Ich zeige dir jetzt, wie du in fünf Schritten die Aufmerksamkeit deiner Zielgruppe gewinnst.

1. Sprich deine Zielgruppe an

Denn wie jeder Mensch möchtest auch du lieber, dass man zu dir spricht als über dich.

Schon mit ein paar direkten Anreden holst du dein Publikum zu dir ins Boot. Im Idealfall hast du deine Leser oder Zuhörer bereits beim Schreiben vor Augen und versuchst während des Schreibprozesses dein inneres Publikum zu erreichen.

Ob du dich für das vertrauliche “Du” oder das offizielle “Sie” entscheidest, ist natürlich abhängig von der Zielgruppe, dem Rahmen des Vortrags oder Artikels und nicht zuletzt von deinem eigenen Geschmack. Allerdings empfinden wir ein “Du” generell stärker als ein “Sie”, da es Verbindlichkeit schafft und Vertrauen generiert.

Konsequenterweise solltest du dein Publikum nun darüber aufklären, wem es seine Aufmerksamkeit und sein Vertrauen überhaupt schenken soll:

Also gib deinem Dialogpartner ein Gegenüber!

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, eine Verbindung zwischen dir und deinem Publikum herzustellen. Schon durch graduelle Veränderung der Ansprache entfaltet der folgende Satz ganz unterschiedliche Wirkung.

Beispiel:

  • Wie Beispiel I bereits zu Beginn zeigen konnte,….
  • Wie Sie bereits zu Beginn an Beispiel I sehen konnten,…
  • Wie wir bereits zu Beginn an Beispiel I sehen konnten,…
  • Wie ich dir bereits zu Beginn an Beispiel I zeigen konnte,.…

2. Beziehe dein Publikum ein

Mache aus einem passiven Dialog einen aktiven, indem du dein Gegenüber in den Denkprozess einbindest. Sprich deinen Zuhörer oder Leser nicht nur an, sondern versetze dich in ihn hinein und überlege dir, was beim Lesen oder Hören in ihm vorgehen könnte. Unterstelle ihm kühn eine mögliche Gefühlsregung – gut dosiert wird das niemand persönlich nehmen. Oder ziehe dein Publikum auf deine Seite, indem du es mit einem Augenzwinkern zu deinem Komplizen machst.

Beispiele:

  • An dieser Stelle fragen Sie sich vielleicht….
  • Ihr kennt das sicher….
  • Seien wir ehrlich…
  • Wir alle haben doch schon einmal…

Fordere dein Gegenüber heraus und verhalte dich so, wie du es in einem Gespräch tun würdest: Stelle Fragen!
Damit lockst du deinen Dialogpartner aus der Reserve und zwingst ihn, aktiv zu werden.

Beispiele:

  • Was folgern wir daraus?
  • Wieso ich Ihnen das erzähle?
  • Wie komme ich auf diese Zahlen?
  • Wie würdest du vorgehen?

Je mehr du dein Publikum in deinen Beitrag einbeziehst, desto interessierter wird es deinen Ausführungen folgen. Bedenke aber, dass du dich mit dieser Methode sichtbar machst: Bei einem Text über deine persönliche Einschätzung des Projektstandes gewinnt dein Beitrag an Profil und Glaubwürdigkeit, wenn du deinen eigenen Standpunkt als solchen benennst und belegst. Bei einer Trauerrede (eines meiner Spezialgebiete) dagegen, ist deine persönliche Meinung irrelevant – hier sollte der Fokus eindeutig auf dem Verstorbenen und den Angehörigen liegen.

3. Höre zu

Fragen machen einen Text lebendig. Doch wie kann ich sicher gehen, auch die richtigen Fragen zu stellen? Entscheidend für einen erfolgreichen Dialog ist die gründliche Analyse im Vorfeld. Für das Vorgespräch mit deinem Kunden bedeutet das vor allem eins: Zuhören!

Versuche so viel wie möglich über deine Hörer oder Leser in Erfahrung zu bringen. Finde heraus, was deinem Publikum wichtig ist und mache dir klar, mit welcher Erwartung es deinem Beitrag begegnet.

Neben harten Fakten wie Alter, Geschlecht und Wissensstand ist vor allem die Erwartungshaltung deines Publikums von Bedeutung. Selbst wenn diese scheinbar klar kommuniziert wird, kommt es diesbezüglich immer wieder zu Missverständnissen:

Beispiel:

Dein Kunde hat Probleme mit der Gewinnung neuer Vereinsmitglieder. Die Erwartungshaltung deines Kunden ist klar: Finde eine Lösung, wie wir die Mitgliederzahlen steigern können!

In der mündlichen oder schriftlichen Präsentation deiner Ergebnisse muss der Fokus folglich auf deinen innovativen Lösungsvorschlägen liegen.

Dennoch solltest du dir sehr genau überlegen, an welchem Punkt du dein Publikum abholen willst, das gedanklich eher beim Problem als bei der Lösung steht – deshalb bist du ja da. Zeige deinem Kunden zunächst, dass du sein Problem erkannt hast und ernst nimmst. Durchlauft gemeinsam den Ideenfindungsprozess und erläutere ihm erst dann, weshalb deine Lösung speziell für sein Unternehmen ideal ist.

Denn die beste Lösung wird dein Publikum nicht erreichen, wenn es den Zusammenhang zwischen deinem Ergebnis und seinem Problem nicht herstellen kann.

Die Erwartungen deiner Kunden zu erfüllen bedeutet übrigens nicht, dass du ihnen nach dem Mund reden musst. Überrasche sie stattdessen mit einem neuen Blickwinkel oder zäume das Pferd von hinten auf. Kurz: Spiele mit der Erwartungshaltung deiner Kunden.

Wie weit du damit gehen kannst?

Auch das gehört zu gutem Zuhören. Durch die ein oder andere kritisch kecke Frage im Vorgespräch bekommst du ein Gespür dafür, wie empfänglich dein Kunde für humorvolle Beispiele und kritische Töne ist. Gleichzeitig gibst du deinem Kunden damit die Chance, sich auf die Art deines Vortrags oder deines Artikels einzustellen.

 4. Verlasse deine Komfortzone

Wir haben eifrig Informationen über unsere Zielgruppe gesammelt. Nun müssen wir uns darauf einstellen – und das ist gar nicht so einfach.

Hinterfrage deinen Inhalt…

Gerade bei der Zweitverwertung eines Textes ist die Verlockung groß, ihn ohne Anpassungen für eine andere Zielgruppe zu “recyceln”.

Doch bei allem Termindruck: Nimm dir die Zeit, deine Texte für den jeweiligen Zweck zu überarbeiten.

  • Entspricht der Informationsgehalt dem Wissensstand deiner neuen Zielgruppe?
  • Hat sich das Medium geändert?
  • Ist die Zielsetzung deines Textes gleich geblieben oder hat sie sich verändert?
  • Solltest du deinen Beitrag kürzen oder um Details erweitern?
  • Gibt es einen neuen Schnittpunkt mit deiner jetzigen Zielgruppe, den du aufgreifen kannst?
  • Wann hast du den Artikel verfasst oder den Vortrag ausgearbeitet? Gibt es neue Erkenntnisse, die Eingang in deine Arbeit finden sollten?

Mit einer gründlichen Überarbeitung stellst du sicher, dass du dein Publikum auch wirklich erreichst. Es wäre schade, wenn dein an sich guter Text ungelesen verpufft, nur weil du an der Zielgruppe vorbei geschrieben hast.

…und hinterfrage deinen Stil!

Du, ich und der Großteil aller Texter und Redner haben mit der Zeit unseren eigenen Stil entwickelt. Wir wissen, welche rhetorischen Figuren zu uns passen, wissen, welche sprachlichen Kniffe funktionieren und haben es uns in unserer Wortblase gemütlich eingerichtet.

Doch ein Blick über den Tellerrand bringt uns weiter! Du sollst einen Artikel für ein angesagtes Online-Magazin schreiben, bist aber eigentlich im Wissenschaftsjournalismus zuhause? Du bekommst die Möglichkeit, dein Thema auf unterhaltsame Art einem Laienpublikum vorzustellen, während du sonst vor Experten referierst?

Habe keine Angst vor Aufträgen, die vermeintlich nicht zu dir passen, sondern nimm die Herausforderung an!

So gewinnst du nicht nur neue Zielgruppen hinzu, sondern durchbrichst eingefahrene Muster und bringst frischen Wind in deinen Sprachalltag.

5. Sei authentisch

Informationen über unser Publikum lassen sich nicht immer so einfach beschaffen, wie wir das gerne hätten – oft haben wir es gar mit verschiedenen Zielgruppen auf einmal zu tun!

Versuche nicht, es jedem recht zu machen, sondern bleibe dir selber treu. Denn wer sich unverhohlen anbiedert, wird schnell als Schaumschläger entlarvt.

Du fragst dich, wie das mit dem vorherigen Abschnitt zusammenpasst?

Verlasse deine Komfortzone! Sei authentisch! – Ja was denn nun?!

Wie der Goldene Mittelweg funktionieren kann, zeigt das folgende Beispiel: Stell dir vor, du sollst Ergebnisse deiner Forschungsarbeit einer Oberstufe vorstellen. Dafür musst du deine Komfortzone verlassen:

Du passt deine Inhalte dem Wissensstand der Schüler an und bereitest den Stoff anhand von Beispielen anschaulich und verständlich auf. Auch sprachlich bemühst du dich um eine alltagsnahe Ausdrucksweise, die möglichst ohne Fachbegriffe auskommt.

Gleichzeitig ist deine Authentizität gefragt:
Du bist in diesem Beispiel weder Lehrer noch Schüler, sondern ein Gastdozent, der sein Fachgebiet vorstellt. Versuche nicht, Rollen einzunehmen, die du nicht ausfüllen kannst, sondern präsentiere deinen Stoff selbstbewusst als der, der du bist.

Dich um eine alltagsnahe, lockere Sprache zu bemühen zeigt dein Interesse an der Zielgruppe. Deine Rede mit hippen Jugendausdrücken zu schmücken (die im Zweifel längst überholt sind) wirkt dagegen selten überzeugend.

Auf Du und Du mit deiner Zielgruppe

Für eine Zielgruppe zu schreiben bedeutet für uns also immer eine Gratwanderung. Da heißt es Erwartungen zu erfüllen und gleichzeitig den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Da gilt es unser Publikum auf emotionaler Ebene anzusprechen und uns gleichzeitig nicht anzubiedern.

Doch keine Sorge: In unserem Alltag meistern wir diesen Spagat intuitiv. Durch unseren täglichen Umgang mit unterschiedlichsten Menschen sind wir darin geübt, uns inhaltlich wie sprachlich auf unser Gegenüber einzustellen.

Sei dir bewusst, dass du auch bei jedem Vortrag oder Artikel in einen Dialog mit deinem Adressaten trittst. Wenn du das verinnerlichst, hast du schon halb gewonnen.

Ich freue mich, wenn ich mit meinen Tipps dazu beitragen kann, deinen Blick für dein Publikum etwas zu schärfen und wünsche dir in diesem Sinne viele spannende und bereichernde Dialoge mit deiner Zielgruppe!

Dir haben meine Tipps gefallen?

Dann schreibe mir eine Nachricht an info.sprachgefuehl@gmail.com

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Dann  besuche mich auf meiner Webseite: www.sprachgefühl.com

Herzliche Grüße

Marie Luise Gillmann

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