Die 5 besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe

Da in den letzten Wochen sehr viele Leser im Blog hinzugekommen sind, ist dies wohl ein guter Moment, um euch ein bisschen mehr über mich zu verraten.

Dafür habe ich das Thema Entscheidungen gewählt. Es soll um die Momente gehen, in denen unser Leben eine grundlegend andere Richtung nimmt. Ich hatte davon einige, wobei ich zugeben muss, dass mir nicht immer sofort bewusst war, wie weitreichend die Folgen sein würden. Das Thema passt übrigens wunderbar zu meinem nächsten Interview-Gast der Reihe „im Gespräch mit…“, der seinen Job als Unternehmensberater an den Nagel gehängt hat, um im Einklang mit der Natur zu leben.

Was waren also meine Big 5?

1. Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Ich hatte mir zu Schulzeiten das Studienfach Biologie in den Kopf gesetzt. Allerdings reichte mein Abi-Schnitt nicht für den numerus clausus. Um die Wartezeit zu überbrücken, kam mir die Idee, ein Jahr ins Ausland zu gehen. Ich eröffnete meinen Eltern ich wolle in die U.S.A.. Ich träumte davon die Statue Abraham Lincolns an der Mall in Washington D.C. zu sehen, die ich aus einem Science-Fiction Film kannte. Ich hatte große Lust das Land kennenlernen, aus dem die Musik kam, die ich liebte. Schließlich wollte ich die vielbeschworene Freiheit spüren und meine eigenen Entscheidungen treffen – kurzum endlich flügge werden. Fehlte nur noch eine Gastfamilie. Zu dieser kam ich über eine Freundin, die an ihrer Universität den Aushang mit einem Au-pair-Gesuch entdeckte und mich sogleich anrief.

Um die Geschichte kurz zu machen; ich hatte nach Erfahrung gerufen und machte sie, allerdings anders als erwartet: 9 Jahre Fremdsprachenunterricht bereiten einen kaum vor auf das, was in der echten Welt als Englisch durchgeht. Ich saß tagelang vor dem Fernseher und beobachtete die Lippenbewegungen der Schauspieler, um mir einen Reim auf das zu machen, was ich hörte. Den ganzen Tag mit dem Baby meiner Gasteltern alleine, lernte ich schnell Verantwortung zu übernehmen. Meine amerikanische Familie war großartig. Das Vertrauen das sie mir schenkten überwältigte mich. Ich bedankte mich, indem ich mit ihrem Wagen eine rote Ampel überfuhr, was natürlich zu einem Strafzettel führte. Sie zeigten mir New York, ließen mich mit dem Nachtbus nach Niagara Falls fahren und stellten mich dem größeren Familienkreis bei einem Ferientrip in die Rocky Mountains vor. Zu meinem Geburtstag veranstalteten sie eine Party mit ihren Freunden, damit ich mich nicht alleine fühlte. Durch sie habe ich gelernt was Gastfreundschaft bedeutet. In meiner Freizeit probierte ich zwischen Aerobic und Stepptanz alles aus, was das Angebot hergab. Im Anschluss an meine Zeit als Nanny unternahm ich Bus-Reisen und sah mir an, was für Kalifornien und den mittleren Westen auf den Top 10-Listen steht, von Alcatraz Island bis Zion Nationalpark. Mein Reise-Gen war geweckt und sollte nie mehr einschlafen.

Aber ich lernte auch, dass im Leben nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Ich sah Menschen die in Pappkartons lebten, kam mit der Rassentrennung in Berührung und musste auch erkennen, dass viele Amerikaner ihr Land für den Nabel der Welt halten. Ich lernte, nicht mehr kritiklos alles cool zu finden und begann das was ich für falsch oder ungerecht hielt verbal zu vertreten. Mein amerikanischer Gastvater war für diese Unterhaltungen perfekt, weil er mich meine Argumente ohne Unterbrechung vortragen ließ, bevor er sie feinsäuberlich und unaufgeregt zerlegte. Die beste Sprachschule der Welt!

„Was dieses Leben in einer anderen Familie bedeutet wurde mir erst später klar. Ich war für sie ein unbeschriebenes Blatt, sie begegneten mir vorbehaltlos und hatten keine Ambitionen, auf mich Einfluss zu nehmen. Damit prägten sie mich, ohne es zu beabsichtigen. Ich wurde selbstständiger, selbstbewusster, wusste was mir im Leben wichtig ist“

– und wog 15 Kilo mehr, als ich nach Hause flog.

2. Spurwechsel

Das Studienfach Biologie war die richtige Wahl für mich, auch wenn ich mit den klassischen Disziplinen Botanik und Zoologie nie wirklich warm wurde. Ich kann bis heute keine Tanne von einer Kiefer unterscheiden. Nach der Diplomarbeit entschloss ich mich zur Promotion mit einem Schwerpunkt in Neurobiologie. Ich hatte perfekte Bedingungen: Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft; mit den renommierten Instituten Heidelbergs ein internationales Forschungsumfeld, und einen Freundeskreis, der die Frustrationen des Laboralltags auffing. Trotzdem war ich unglücklich. Stundenlang eingesperrt in einem dunklen Raum mit nichts als leuchtenden Nervenzellen zur Gesellschaft trieb mich langsam in den Wahnsinn. Ich hatte vermeintlich alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Die nüchterne Erkenntnis war: Ich bin für den Wissenschaftsbetrieb nicht gemacht.  Was ich wollte war Reden halten, Texte schreiben, Veranstaltungen organisieren, am liebsten über Gesundheitsthemen. Viele Coaching-Sessions später entschied ich, der aktiven Wissenschaft den Rücken zu kehren und in die Gesundheitskommunikation zu wechseln.

Wissenschaftliches Arbeiten hat mir Techniken an die Hand gegeben, um mit einer Herausforderung klarzukommen. Ich kann ein Problem benennen, in beherrschbare Teile zerlegen und Lösungswege skizzieren. Meine Laufbahn hat mich außerdem perfekt darauf vorbereitet, die Themen meiner Kunden zu verstehen.

„Was ich lange für eine Sackgasse hielt, war in Wahrheit die beste Schule. Am Ende des dunklen Gangs war eine Tür, die in einen Raum neuer Möglichkeiten führte.“

Ich spazierte aus der Uni heraus und hinein in die Welt der Public Relations-Beratung.

3. Lücken im Lebenslauf

„Jetzt verdienst du endlich dein erstes, eigenes Geld und willst schon wieder aufhören?“
„Glaubst du, du findest danach wieder einen Job?“
„Wieso ausgerechnet Afrika?“
Das sind nur einige der Fragen, mit denen ich mich konfrontiert sah, als mein Partner und ich beschlossen hatten, ein Sabbatjahr zu nehmen. Wir wollten den afrikanischen Kontinent der Länge nach durchqueren.

Natürlich war meine Chefin, die Geschäftsführerin einer PR-Agentur für Gesundheitskommunikation, nur mäßig begeistert von meiner Kündigung. Unsere Eltern machten sich sorgen darüber, was unterwegs alles passieren kann. Aber wir ließen uns nicht beirren. Gelegentlich hörten wir auch den Satz: „Das würde ich auch gerne machen.“  Ich stellte aber schnell fest, dass viele die von einer Auszeit träumen, diese nie in die Tat umsetzen.

„Wichtig ist, dass wir uns in einem Sabbatical zu einem Sinn oder Ziel hinbewegen und nicht vor einer Situation davonlaufen. Letzteres funktioniert selten, weil Probleme uns überall einholen.“

Ich bin eine Wiederholungstäterin und habe inzwischen mehrfach die Chance genutzt, für längere Zeit, auf eigene Faust, ein Stück der Welt zu erkunden. Was ich sagen kann ist, dass es meiner Karriere nie geschadet hat. Ich habe nach der Rückkehr immer wieder einen Job gefunden, der mich erfüllte. Das lag vielleicht auch daran, dass ich gute Argumente hatte, diese Lücken im Lebenslauf zu erklären. Das beste an dieser Zeit war nämlich, dass ich mich selbst in einem neuen Kontext kennenlernte, einen Perspektivwechsel erlebte, der meinen Horizont deutlich erweiterte und dass ich neue Fähigkeiten entwickelte, wie etwa interkulturelle Kompetenz, Flexibilität, Resilienz und Problembewältigungsstrategie unter ungewöhnlichen Umständen. Das hat meinen Marktwert eher gesteigert.

4. Zwar selbst und ständig, aber auch frei und unabhängig

Als ich von einer meiner Auszeiten zurückkam war in mir der Wunsch gereift, mich beruflich zu verändern. Ich wollte weiterhin in der Gesundheitskommunikation aktiv sein, aber flexibler werden in Bezug auf meine Kunden und meine Arbeitszeiten. Auch den Arbeitsort wollte ich mitbestimmen können. Meiner Kreativität ist es zuträglich, wenn ich – statt auf einen Parkplatz – in die Weinberge oder auf das Meer schaue. So ging ich das Projekt „Selbstständigkeit“ an.

Glücklicherweise war mein Arbeitgeber damals bereit, mir als Kunde erhalten zu bleiben. So musste ich nicht sofort in das Akquise-Thema einsteigen. Diejenigen unter euch die Solo-Preneure sind wissen, dass Selbstständigkeit kein Selbstläufer ist. Es gibt Zeiten, da bin ich mir nicht sicher, wie weit meine Aufträge mich tragen werden. Mir wird bisweilen schwindelig, wenn ich die laufenden Kosten überschlage, da ich für alles selbst aufkommen muss. Die Energie die in das Eigenmarketing fließt, übersteigt manchmal die Grenzen dessen, was ich für machbar halte. Aber nach knapp 8 Jahren habe ich eine gewisse Sicherheit entwickelt. Ich kann rückblickend sagen, dass sich meine Wünsche und Vorstellungen gut mit dem Notwendigen vereinbaren lassen. Ich habe mich in eine breite Palette von Themengebiete einarbeiten dürfen. Manchmal sage ich scherzhaft: „Ich werde dafür bezahlt, etwas Neues zu lernen.“ Es war bisher der Schritt der am meisten Mut erfordert hat. Ich bin dafür reich belohnt worden.

5. Die Geschichtenerzählerin

Eine meiner Kundinnen ist die Chefredakteurin des online-Magazins Lemondays, Angela Löhr. Mit ihr kam ich in Kontakt, als meine Wechseljahre anklopften. Ich lernte schnell, dass es in dieser Lebensphase um mehr geht, als Hormone. Es findet ein Umbruch auf vielen Ebenen statt, den wir entweder als lästiges Übel abtun oder als Chance zur aktiven Veränderung begreifen können. Ich habe durch die Zusammenarbeit mit den Redakteurinnen den Kick bekommen, mich mehr auf das zu konzentrieren, wofür ich brenne. Meine Leidenschaft ist das Geschichten-Erzählen. So kommt es, dass ich nun ein zweites Standbein aufbaue. Noch in diesem Jahr werde ich mein erstes Taschenbuch im Selbstverlag veröffentlichen. Ich erzähle darin meine Reisegeschichten aus 30 Jahren über 4 Kontinente hinweg. Es ist die bislang letzte beste Entscheidung die ich getroffen habe und ein Abenteuer für sich. Wenn du mich dabei begleiten möchtest, dann folge mir gerne auf Instagram: @heidimetzmeier.

Jetzt weißt du eine ganze Menge mehr über mich, aber fragst dich vielleicht, was das mit dir zu tun hat.

Das Fazit lässt sich vielleicht so zusammenfassen:

  • Lebenslanges Lernen ist heute wichtiger denn je. Wir werden durch die Digitalisierung Berufe kommen und gehen sehen. Kaum ein Bereich wird davon unberührt bleiben. Wer im Laufe seiner Karriere sich selbst immer wieder im neuen Kontext kennenlernt, wird mit diesen Veränderungen besser zurechtkommen, das ist meine tiefe Überzeugung. Die Bereitschaft, einen anderen Weg einzuschlagen, ist nicht jedem in die Wiege gelegt, aber das neue Arbeiten in wechselnden Teams, birgt auch für Veränderungsmuffel zahlreiche Möglichkeiten.
  • Niemand gibt gerne zu, dass er sich vergallopiert hat. Holzwege oder Sackgassen sind aber nichts, wofür wir uns schämen müssen, sondern Fingerzeige des Schicksals. Ich habe gelernt, die Hilfe von Coaches und Therapeuten anzunehmen. Sie können mit ihrem neutralen Blick den Finger auf Wunden legen, vor denen wir die Augen verschließen. Ein guter Coach hilft dir, deine Talente zu benennen und weist dir auch den Weg zu  möglichen neuen Zielen.
  • Ich habe den Eindruck, dass der geradlinige Lebenslauf mit möglichst effizient genutzten Ausbildungszeiten immer noch propagiert wird. Es entspricht allerdings meiner Erfahrung (und ich habe einigen Vorstellungsgesprächen auf der Arbeitgeberseite beigesessen), dass vermeintliche Brüche oder überraschende Wendungen in einer Lebenslinie den Menschen viel interessanter machen. Mut zur Lücke!
  • Über das Sabbat-Jahr als Potenzialzeit habe ich schon einmal einen längeren Beitrag verfasst. Daher an dieser Stelle nur so viel: Die Möglichkeit eine Auszeit vom Job zu nehmen ist etwas, das in in den meisten Betriebsvereinbarungen festgeschrieben ist. Wie du sie verbringst, ist dir überlassen, ob mit einer beruflichen Weiterbildung, einer Reise, dem Erlernen eines neuen Hobbys oder dem Aufbau eines eigenen Business. Die Spielwiese ist riesig. Ich kenne niemanden, dem diese Zeit geschadet hätte, wohl aber Menschen, denen Abstand von ihrem Alltag sehr gut tun würde. Träume wollen nicht als Sticker an der Kühlschrankwand enden, sondern gelebt werden.
  • Das Arbeitsleben ist ein Weg bei dem es kein Ziel gibt, sondern es bietet Möglichkeiten an verschiedenen Stellen die Aussicht zu genießen.
  • Jede Lebensphase birgt neue Chancen seine unterschiedlichen Talente auszuleben.  Es ist daher nie zu spät für den nächsten Schritt.

Was war deine letzte beste Entscheidung? Verrate es uns in den Kommentaren!

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Bleibt alles anders – Jahresrückblog 2021

Kennt ihr den Song von Herbert Grönemeyer, in dem er schmettert: „Geh voran, bleibt alles anders. Genug ist zu wenig, oder es wird so wie es war“? Ist für ein Jahres-Motto vielleicht etwas sperrig, retrospektiv passt es aber wie die Faust auf´s Auge, denn „genug“ war  immer zu wenig und auf magische Weise wurde vieles anders, ob nun mit oder ohne mein Zutun.

Mein Jahr 2021 nahm einen fulminanten, einiges verändernden Anfang mit zwei deutlich vernehmbaren „Ja“ im großen, aber Corona-bedingt menschenleeren Saal des Standesamts in Bühl. Seither gehöre ich zu den Frauen mit Zungenbrecher-Doppelnamen. Für meine verschiedenen Arbeitsschwerpunkte nehme ich diese wieder auseinander. In der PR bin ich weiterhin Heike Specht. Als Autorin – dazu gleich mehr – publiziere ich unter dem Namen Heidi Metzmeier.

„Schreib dich glücklich“ oder „was ich mir vorgenommen hatte“

Mein Wort des Jahres 2021 war „Autorin“. Nach der Veröffentlichung meines PR-Ratgebers im Corona-Sommer 2020 hatte ich Lunte gerochen. Intensive Gesprächen mit anderen AutorInnen folgten und so entschied ich, dass die Zeit reif ist, um meine Reiseerzählungen zu Papier zu bringen. Was für ein Abenteuer! Wenn ein Blog die Kurzstrecke ist, dann ist ein Buch der Marathon. Zwischendurch habe ich einzelne Kapitel zum Probelesen gegeben. Unter anderen hat sich meine Chefredakteurin von Lemondays, Angela Löhr angeboten, die im Frühjahr selbst eine Ratgeber-Erzählung zum Thema Wechseljahre veröffentlicht hat. Das Feedback war durchweg positiv. Trotzdem hatte ich viele Phasen des Selbstzweifels, ob die Welt wirklich noch ein Buch über Abenteuerreisen braucht, ob ich den richtigen Ton treffe und ob das Konzept das ich mir überlegt habe, als Alleinstellungsmerkmal tauglich ist. Da kam mir die Unterstützung meiner Coach, der BILD-Bestseller-Autorin Sandy Mercier, gerade recht. Sie hat mit mir nicht nur an meinem Konzept gefeilt, sondern mich auch ermutigt dran zu bleiben, hinter die offensichtlichen Probleme zu blicken und damit Blockaden aufzulösen. Das war eine große Hilfe, mit der es mir gelungen ist, die erste Fassung meines Buchs vor der Jahresfrist zu beenden.

„Mein persönlicher Tipp Nr. 1 aus meinen Erfahrungen 2021 lautet daher: Wenn du ein Projekt hast, bei dem du gerade steckenbleibst oder Zweifel hast ob es sich lohnt, gönne dir einen Coach oder Berater. Das ist kein Luxus, sondern gut investiertes Geld, da du danach klarer siehst, für dich und deine Ziele. Hilfe anzunehmen ist keine Schwäche, sondern Weitsicht! Falls du Tipps brauchst, an wen du dich wenden kannst, schau mal weiter unten.“

Aus dem Buch-Projekt ergibt sich unweigerlich das Wort des Jahres 2022: „Selfpublisher“. Denn ich habe weder Lust dutzenden von Verlagen mein Exposé zu schicken, noch möchte ich mir die Fristen für mein Herzensprojekt extern vorgeben lassen. Es mag zwar Vorteile haben mit einem Verlag zu arbeiten, vor allem in Bezug auf das Marketing, aber hey, wenn ich die PR für mich selbst nicht auf die Kette kriege, dann habe ich wohl den Beruf verfehlt! Das wird ein spannender Weg, auf dem ihr mich gerne an dieser Stelle begleiten könnt.

Apropos an dieser Stelle. Meine Internetseite ist ja gerade einmal zarte drei Jahre alt, aber das Design, so übersichtlich ich es selbst finde, ist bereits aus der Zeit gefallen. Ein Projekt, das ich mir für dieses Jahr vorgenommen hatte, war das optische „Facelifting“. Zumindest der Blog hätte eine modernere Erscheinungsform bekommen sollen, in der es leichter fällt, einzelne Artikel die von Interesse sind, auszuwählen. Das Ganze natürlich SEO optimiert. Denkste! Dieses Vorhaben habe ich in meiner Projekt-Excel-Liste von einem Monat in den nächsten verschoben und wie ihr sehen könnt, ist es am Ende hinten heruntergepurzelt. Jetzt finde ich das allerdings gar nicht mehr so tragisch, denn mit meinem zweiten Standbein als Selfpublisherin braucht die Seite nicht nur eine optische Politur, sondern auch inhaltliche Überarbeitung. Ihr könnt euch also darauf freuen, dass hier in 2022 so einiges passieren wird. Dazu gleich noch etwas mehr.

„Daraus folgt mein Tipp Nr. 2: Projektpläne sind gut und wichtig, aber sie brauchen Flexibilität, sich an die Realität anzupassen. Jedes Ding hat seine Zeit und manchmal ist es sogar positiv, wenn Gras über eine Sache wächst. Wir nehmen uns ohnehin meist viel zu viel vor und sind am Ende enttäuscht, wenn von den 100 Dingen auf der Liste nur 99 gestrichen sind, statt uns zu freuen, wie weit wir gekommen sind. Bei den meisten Selbstständigen und Unternehmern haben Aufschübe eine bessere Begründung als „ich hatte keine Lust“. In der Regel war etwas anderes wichtiger. Solange wir priorisieren, ist alles gut. Also setze dir erreichbare Projektziele, überprüfe regelmäßig ob diese dem Realitätscheck standhalten und nimm dir Zeit, Erfolge zu feiern, im großen wie im kleinen Rahmen. Sei mutig selbst zu definieren, was Erfolg für dich bedeutet.“

Was es von meiner Projektliste hingegen tatsächlich ins Leben geschafft hat, ist der Aufbau einer eigenen Server-Infrastruktur, die es mir ermöglicht ortsunabhängig zu arbeiten, ohne Furcht vor Datenverlust. Wer mich kennt weiß, dass ich in Bezug auf IT zwei linke Hände habe. Außerdem ist mein Gehirn für Fragestellungen zur Technik einfach nicht verkabelt. Demzufolge war das ein angstbesetztes Thema. Mit Wolfgang Meier habe ich jedoch einen Spezialisten an der Hand, der mit unendlicher Geduld nicht nur die Hardware aufgesetzt hat, sondern auch die Software vor dem Computer immer wieder dazu bringt, die richtigen Knöpfe zu drücken. Jetzt stünde dem digitalen Nomadentum nichts mehr im Wege, wenn nicht…

…ja wenn nicht ein weiteres Vorhaben kläglich gescheitert wäre. Mein orangefarbenes Wunder nämlich, der 110er Land Rover Defender, wartet seit einem Jahr darauf, dass mich die Inspiration packt und ich mit dem Innen-Ausbau beginne. Erst in die Garage verfrachtet und dann im Hof unter einer Plane verpackt, wartet er darauf, dass mich die Muse küsst. Ich schleiche indessen mit schlechtem Gewissen um ihn herum und frage mich, wie sich so ein großes Ding in Häppchen zerlegen lässt, die ich verdauen kann, denn zur Schrauberin bin ich leider auch nicht gerade geboren. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben! Dieses Projekt wandert also wieder auf die Liste für 2022.

Gute Gespräche – Die Highlights des PICUS Blog auf einen Blick

Was ich meinen Kunden empfehle, mache ich natürlich für meine eigenen Texte auch – Erfolgskontrolle. Ich schaue mir die Nutzer-Statistik meiner Webseite an, also wie einzelne meiner Blogbeiträge bei euch ankommen. Die Community der Blog-Leser ist inzwischen auf ca. 1500 monatlich angewachsen, was mich ein bisschen stolz macht, denn ich investiere nicht in bezahlte Werbung. Wie viele davon regelmäßige Leser sind, kann ich nicht sagen. Daher biete ich euch hier die Liste der am meisten gelesenen Beiträge an. Vielleicht ist ja etwas dabei, das ihr verpasst habt. Dann könnt ihr es in einer ruhigen Minute zwischen den Jahren nachholen:

  • Das ungeschlagene „all time high“ ist mein Gespräch über das Thema Freiheit mit Lilli Mixich Reisebloggerin und Vollzeitnomadin. Das liegt sicher am Thema, aber natürlich auch an Lilli, die so herzerfrischend humorvoll und ehrlich über ihr Leben in Bewegung spricht.

  • Als ich Dr. Alexis Katechakis als Experten für das Thema Nachhaltigkeit angefragt habe, hatte ich keine Ahnung, dass dieses Interview eine Vorlesung werden würde. Ich musste feststellen, dass ich über Nachhaltigkeit nicht annähernd so viel weiß, wie er schon vergessen hat. 3 Stunden Tonaufnahme war definitiv zu viel für einen Blogbeitrag, also haben wir das Gespräch in zwei Teile gesplittet:
    Hier geht´s zum Basiswissen Nachhaltigkeit.
    Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie findet ihr hier.


  • Dass ihr wirklich Fans meiner Reihe „Im Gespräch mit…“ seid, ist leicht daran zu erkennen, dass es noch ein weiteres Interview in die Top 5 geschafft hat: Der Austausch mit Dr. Reimar Schlingensiepen zum Thema Unternehmensgründung.

  • Weit oben gelandet ist ein Thema, das mir persönlich so wichtig war, dass ich es im Redaktionsplan gleich an den Anfang des Jahres gesetzt hatte: 6 Dinge, die ich mir als Selbstständige nicht mehr antue. Darin geht es um Fragen des Zeitmanagements ebenso, wie um gute Vorbereitung auf herausfordernde Kommunikation. Selbstfürsorge ist die Klammer, die alle Tipps in diesem Artikel zusammenhält.

  • Für mich besonders schön zu sehen, haben auch meine 5 häufigsten Fehler in Businessprofilen bei euch einen Nerv getroffen. Dies zeigt mir, dass ihr an PR-Basiswissen durchaus Interesse habt.

„Mein Tipp Nr. 3, der mit diesem Kapitel verbunden ist, bezieht sich auf das Thema Promotion. Wenn ihr selbst Texte verfasst, egal ob einen Blog oder Material zu eurem Geschäftsbereich, wie etwa Infografiken oder Broschüren, dann schaltet euer Netzwerk ein, um den Kreis der Leser zu vergrößern. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit LinkedIn gemacht, nutze aber auch Facebook, Instagram oder WhatsApp, um auf neue Artikel aufmerksam zu machen. Macht euch bei jedem Post bewusst, wer euch auf diesem Kanal folgt und achtet darauf, den Aspekt aus eurem Angebot hervorzuheben, der für die jeweilige Gefolgschaft relevant ist. Ein schnödes „guckt mal ich habe hier etwas neues“ reicht da eher nicht.“

Frauentalk – wer mich 2021 berührt hat

Monologe vor Bäumen im Wald oder das Verfassen epischer Texte können vielleicht eine Weile lang darüber hinweghelfen, dass gerade wenig Austausch möglich ist, aber irgendwann kommt der Moment, wo wir hungrig sind nach Kontakten, auf Inspiration von außen. Ich hatte in diesem Jahr gleich mehrfach die Freude, mit Menschen zusammenzukommen, die meinen Blickwinkel erweitert haben. Bemerkenswert daran ist, dass es hauptsächlich Frauen waren. Hier ein Auszug:

  • Silke Steigerwald hat mir den Kopf gerade gerückt, als es darum ging, den Fokus im Leben zurückzugewinnen bzw. ein Ziel klar zu formulieren. Sie ist nicht nur eine hervorragende Anti-Stress-Coach, sondern auch eine wundervolle Lebensdolmetscherin, die ihre Weisheiten und ihren Wortwitz auch als Redakteurin des Online-Magazins Lemondays zur Verfügung stellt. Unglaublich stark finde ich, dass sie auch dann noch ein Ohr für andere hat, wenn sie sich selbst gerade im Auge des Sturms befindet. So handelt man wohl, wenn der Beruf eine Berufung ist.

  • Auf Andrea Goffart wurde ich über einen gemeinsamen Freund aufmerksam. Die Ghostwriterin, Biografin und Schreibcoach geht aktuell einer wichtigen Fragen nach, nämlich der nach der „starken Frau“. Was bedeutet das und wo finden wir sie? Ich hatte die große Freude einer ihrer GesprächspartnerInnen der ersten Runde zu sein. Es wurde ein Austausch über Führungspotenzial, Vielfalt als Zukunftschance und die zweite Lebenshälfte. Hier kannst du unser Gespräch nachverfolgen.

  • Den Podcast von Claudia Münster liebe ich. Umso mehr habe ich mich gefreut, als die Transformational Coach, Business Mentorin, Autorin und Juristin mich für ein Interview angefragt hat. Mit ihr habe ich über das Reisen geplaudert, wobei es weniger um meine Erlebnisse ging, als um die Frage ob Mut wirklich wichtig ist oder ob es nicht eher darum geht, Ungewissheit zu akzeptieren. Wenn du dich von dieser Frage angesprochen fühlst, dann höre gerne hier in die Podcastfolge hinein.

  • Ilona Tamas und ich kennen uns durch die Public Relations im Gesundheitsbereich. Ich habe sie für ihren Entschluss bewundert, nach Jahrzehnten in einem „sicheren Job“ alles an den Nagel zu hängen, um endlich das zu tun, wofür sie eine echte Passion empfindet. Ilona ist heute Dozentin für weibliche Sexualkultur. Im kleinen Frauenkreis, an dem ich in diesem Jahr teilgenommen habe, hat Ilona Übungen und Trancereisen angeleitet, in denen ich mehr über mich gelernt habe, als bei allen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte zusammen. Sie hat ein untrügliches Gespür dafür, wann Stille besser ist als jedes Wort und sie ist sehr sensibel in der Wahl ihrer Hilfestellungen. Wer einen Eindruck von ihrer Arbeits- und Denkweise bekommen möchte, dem empfehle ich ihren Gastbeitrag in diesem Blog: Dein Körper ist ein weiser Coach. 

  • Die weiter oben schon zitierte Autorin, Online-Magazin-Herausgeberin und Schreibcoach Angela Löhr hat im Spätsommer zu einer Blogparade aufgerufen mit dem Titel „Träumst du noch dein Leben oder lebst du schon deinen Traum?“ Da konnte Frau einmal mehr sehen, wieviel Power zusammenkommt, wenn Rebellinnen und Königinnen im Wechsel ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Die einzelnen Artikel sind in den Kommentaren zu diesem Post verlinkt. Mein Beitrag – der es übrigens auch in die Top 5 der PICUS-Blog-Statistik geschafft hat – geht davon aus, dass wir uns erst einmal darüber klar werden müssen, was wir wirklich wollen, bevor wir beginnen können, diese Träume zu leben. Die Tipps wie wir das herausfinden können, findest du hier.

  • Last but not least möchte ich euch die Group Fitness-Trainerin und Ernährungscoach Tine Möller,  vorstellen. Sie ist eine meiner „Online-Friends“, die es in diesem Jahr tatsächlich in mein reales Leben geschafft haben. Wir teilen nämlich nicht nur Freud und Leid der Lebensmitte und sind beide Autorinnen (Tines Buch „Schlank und fit durch die Wechseljahre“ ist gerade im riva Verlag erschienen) sondern wir haben auch die Schwäche für das Vanlife gemeinsam, also das Unterwegssein im eigenen 4×4-Fahrzeug. Auf ihrer Sommertour sind Tine und ihr Mann bei uns in Baden-Baden vorbeigeschneit und wir hatten zwei zauberhafte Tage am Rande des Nordschwarzwalds. Wer Tine auf Instagram folgt kann übrigens lernen, wie man diesen Kanal professionell betreibt. Sie scheint permanent on, ist witzig, spritzig und dabei immer ganz sie selbst.

„Mein Tipp Nr. 4 leitet sich aus meinen positiven Erfahrungen ab, sich vor der Kamera oder dem Mikrophon auszuprobieren. Ein Interview – ob nun als Videomitschnitt oder Podcast, als geschriebenes Wort oder Facebook-Live – schafft Aufmerksamkeit und Reichweite für dein Business und im besten Falle macht es Spaß. Schau dir an, wer in deinem Bereich mit Gesprächsformaten unterwegs ist und biete dich als ExpertIn für dein Themenfeld an. Wer Berührungsängste mit „live“ hat, kann sich im ersten Schritt als Gastblogger versuchen und so seine Erfahrung schriftlich ausdrücken. Gegen das Lampenfieber gibt es immer noch mich. Wir können gerne vor dem Auftritt miteinander üben!“

Das Gute so nah – Überraschungen des echten Lebens 

Online zu arbeiten war für mich das erklärte Fernziel, als ich mich vor 7 Jahren selbstständig gemacht habe. Ich hatte dabei im Hinterkopf von unterwegs tätig zu sein, damit ich die Bedürfnisse meines Reise-Gens mit meiner Passion für die Kommunikation verbinden kann. Aus online wurde „home-office“, der Grund ist hinlänglich bekannt. Auch wenn ich es durchaus begrüße, dass mit Zoom oder Teams Meeting-Software in unser Arbeitsleben eingezogen ist, so vermisse ich trotzdem den direkten Austausch mit Kollegen. In ihrem Gespräch mit mir zum Thema „new work“ hat es Jana Seifert so auf den Punkt gebracht: „Wir wollen den Schweiß der anderen riechen.“ Da ist etwas dran. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass sich die Verhältnisse kurzzeitig gebessert haben. Das gab mir die Gelegenheit bei Geschäftsreisen nach Berlin, München und Salzburg die Kollegen meines aktuellen Kunden live und in Farbe zu sehen und besser kennenzulernen. Es ist schon interessant wie das Bild, das man sich von Menschen macht, von denen man am Computer nur den Torso sieht, von der Realität abweichen kann. Die erste Begegnung im echten Leben kann da zu einer Überraschung werden: „Ich hatte ihn mir viel größer vorgestellt“ oder „Das ist aber eine quirlige Persönlichkeit“ sind Erkenntnisse, die ihr in ähnlicher Weise vielleicht teilt. Wollen wir hoffen, dass uns das im nächsten Jahr wieder verstärkt vergönnt sein wird.

Das Reise-Gen kam selbstredend zu kurz. Immerhin hat es für die Südpfalz, die Vogesen und einen Städtetrip nach Utrecht gereicht. Im Wald und zwischen den Weinbergen haben wir wunderbar Energie aufgetankt und festgestellt, dass die Auszeit gar nicht weit führen muss, um erholsam zu sein und neue Eindrücke zu bescheren.

Heike und Bruno in den Südvogesen
Auszeit in der Südpfalz
Nie ohne Lagerfeuer am Abend

Wer über Gesundheit schreibt, muss noch lange nicht gesund sein

Die wohl bitterste Pille hatte ich bereits im ersten Quartal des Jahres zu schlucken, als ich mich in der Sportklinik in Pforzheim operieren ließ, weil ich nach einem Sturz beim Wandern und entsprechenden Malaisen am linken Knie nur noch einen eingeschränkten Aktionsradius hatte. Das geht nicht, schon gar nicht mit Hund! Der Chirurg war beim Erstgespräch herzerfrischend unoptimistisch und rechnete mir eine Erfolgschance von 50 Prozent vor. Mein Glas ist glücklicherweise eher halb voll und so bin ich das Wagnis eingegangen, wohl wissend, dass das für mich zunächst bedeutete eine Woche auf der Couch zu verbringen, 8 Wochen an Krücken und insgesamt 6 Monate in der Physiotherapie. Schöne Grüße an das sehr engagierte Praxisteam Junghänel! Es war ein Erlebnis das ich sicher kein zweites Mal brauche, aber es hat der Mühe gelohnt. Ich gehöre heute zu der glücklichen Hälfte, die mit einem geflickten Meniskus wieder vernünftig laufen kann. Was die Übung mir gezeigt hat: Ein Körper der sich wohl fühlt ist etwas kostbares. Ich vermeide an dieser Stelle bewusst den Begriff „funktioniert“, weil das nach meinem Gefühl genau das Problem in unserer zielorientierten Arbeitswelt ist: Wir fokussieren bei unserem Körper wie in unserem Job allzu oft auf Funktionsoptimierung und Leistungsmaximum und ignorieren dabei völlig, dass das Leben passiert, während wir mit KPIs beschäftigt sind. Die gesunden Jahre bekommen wir nicht zurück.

„Gerade als Texterin für Gesundheitsthemen bin ich täglich damit konfrontiert, dass Krankheiten uns ohne Vorwarnung und ohne familiäre Vorgeschichte treffen können. Ich werde jetzt nicht das hohe Lied auf die gesunde Lebensweise anstimmen, aber ich plädiere dafür
– und das ist Tipp Nr. 5 – gelegentlich inne zu halten und dankbar zu sein für das Haus in dem unser Geist wohnt.
So wie wir zwischen den Jahren gerne die Wohnung ausmisten, wäre jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, um unserem Körper, der uns meist klaglos durch den Tag trägt, etwas richtig Gutes zu tun. Ausschlafen zum Beispiel, denn im Schlaf findet sehr viel Regeneration statt.“

Während ich diese Zeilen schreibe, warte ich übrigens auf das Ergebnis meines PCR-Tests, denn mein letzter Corona-Schnelltest war positiv. Schockstarre trifft meinen Zustand wohl am besten. Die Quarantäne fällt mir schwer. Nach 48 Stunden kommt die Entwarnung. Meine Erleichterung ist kaum in Worte zu fassen. Die Übung ermahnt mich zu mehr Achtsamkeit in der aktuellen Situation. “Ich bin ja gebooste(r)t”, ist kein Freibrief, Normalität sieht immer noch anders aus. Mein flatterndes Herz ist bei den Akteuren des Gesundheitswesens, die in diesem Wahnsinn schon seit 2 Jahren alles geben, bei allen, die durch Corona einen lieben Menschen verloren haben und bei den vielen tausend Menschen, die an Corona und seinen Folgen leiden, ob nun körperlich, seelisch oder wirtschaftlich.

Ausblick auf 2022

Wer bis hierhin gelesen hat gehört ganz offenbar zu den eisernen Fans dieses Blogs, immerhin überschreiten wir gerade die Grenze zu 3000 Worten. Du willst also wirklich wissen, wie es hier weitergeht.

Der Blog bleibt, so viel ist sicher und mit ihm die beliebte Interview-Serie. Hier würde ich mich über Anregungen aus den Reihen meiner Leser freuen, denn ihr kennt ganz sicher interessante Persönlichkeiten, die zu den Themen moderne Arbeitswelt, Kommunikation oder Gesundheit etwas zu sagen haben. Wenn du ein spannendes Thema hast, das zu diesem Blog passt oder mir jemanden vorschlagen möchtest, dann schick mir gerne eine Mail.

Die Inhalte des Blogs werden sich verändern, denn mit meiner eigenen Transformation hin zum Schwerpunkt Autorin/Texterin werde ich zunehmend über eine breitere Themenvielfalt sprechen, Aspekte die mir im Alltag und Berufsleben begegnen, über die ich schreibend reflektiere. Dabei behalte ich natürlich meine Zielgruppe der Selbstständigen und Unternehmer im Blick. Es wird auch weiterhin Tipps zur PR geben, aber nicht mehr in der Intensität wie bisher, da ich festgestellt habe, dass die spezifischen Artikel zum PR-Handwerk kaum Leser finden. Frau muss sich verabschieden können von Traditionen, die nicht mehr funktionieren.

Ich bin sehr neugierig zu erfahren wer du bist, lieber Leser und liebe Leserin. Je konkreter mein Bild von dir ist, umso besser kann ich auf deine Bedürfnisse eingehen. Komm gerne aus der Anonymität und erzähle mir in den Kommentaren etwas über dich und dein Arbeitsfeld. Welche Fragen brennen dir gerade unter den Nägeln? Welche Hilfestellungen in Bezug auf Kommunikation wünschst du dir von mir? Über welches aktuelle Thema würdest du gerne einen Standpunkt lesen?

Ich selbst werde mich 2022 in das Abenteuer Buchveröffentlichung und -Promotion werfen und eine ganze Menge dazulernen dürfen. Die Idee zu meinem nächsten Buchprojekt ist auch schon geboren. Ein Roman, mehr wird noch nicht verraten.

“Der PR bleibe ich natürlich weiterhin treu und ich bedanke mich von ganzem Herzen bei allen, die mir in diesem Jahr ihr Vertrauen geschenkt haben, ihre Projekte zu betreuen und sie mit meiner Expertise zu begleiten.

Euch allen wünsche ich nun ein fröhlich-erholsames Weihnachtsfest, ein paar schöne Tage zum Durchatmen und einen furiosen Start ins Jahr 2022 das erfolgreich, gesund und auch ein wenig überraschend verlaufen möge!”

Mit Sonne im Herzen und Weihnachtskugeln im Haar

Eure

Heike

P.S.: Auch den Newsletter wird es 2022 wieder geben, in der gewohnt niedrigen Frequenz, aber immer dann, wenn ich wirklich etwas zu sagen habe. Möchtest du keine Blogbeiträge mehr verpassen? Dann trage dich jetzt hier ein:

PR-Quickie: Die 5 häufigsten Fehler in Businessprofilen und wie du sie vermeidest

In der Rubrik PR-Quickie sprechen wir über Basismaterialien der Außendarstellung und Kommunikationstechniken, die ihr als als UnternehmerInnen oder Selbstständige drauf haben solltet, um Erfolg zu haben.

Deine Geschichte ist untrennbar mit deinem Business verbunden. Diese ist wert erzählt zu werden, denn Menschen lieben Geschichten. Wenn du also über Basismaterial für deine Öffentlichkeitsarbeit nachdenkst, dann ist das Unternehmensprofil (oder anders ausgedrückt das “Über mich”) ein guter Anfang. Dieses lässt sich in Broschüren verarbeiten und auf der Webseite in verschiedenen Formaten (z.B. als Kurzfilm) erzählen. Wenn ich eine neue Zusammenarbeit beginne, schaue ich mir das Profil meines Kunden als Erstes an. Leider stelle ich immer wieder fest, dass zwar viel Energie in die Erstellung der Materialien fließt, das Ergebnis aber oft hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Das finde ich sehr schade, denn hinter jedem Business stecken Köpfe die mit Herzblut bei der Sache sind und sich mit Leib und Seele für ihre Ideen einsetzen.
Die Gründe warum Unternehmensgeschichten oder Persönlichkeitsprofile scheitern lassen sich in 5 Punkten bündeln, die ich hier kurz darstelle, damit du es besser machen kannst:

Der Erzähler hat zu viel Distanz zum Zuhörer

Bei der Erstellung des Businessprofils werden häufig Inhalte abgehakt, die man für den Standard hält: Zahlen, Fakten, Köpfe, Umsätze, Gründungsdatum etc. Dies wird für eine anonyme nicht näher definierte Zielgruppe als Text aufbereitet in dem das Wort „ich“ oder „wir“ in jedem zweiten Satz vorkommt.

Fühlst du dich von einer Erzählung abgeholt, die dich nie persönlich anspricht? Wahrscheinlich nicht.

Daher Regel Nummer 1: Überlege dir, wem du von dir und deinem Unternehmen erzählst und frage dich, was diese Menschen besonders interessiert. Ein potentieller Mitarbeiter möchte vielleicht wissen, welche Weiterbildungsmöglichkeiten er bei dir hat. Ein Kunde dagegen möchte verstehen, ob dein Unternehmen die Kompetenz hat sein Problem zu lösen. Und ein Journalist interessiert sich für deine Motivation dich jeden Tag für deine Ziele einzusetzen.

Regel Nummer 2: Versetze dich bei der Erzählung in deine Zielgruppe und sprich diese direkt an. Sprich weniger von “ich, mein, wir” als von “du, dein, Sie”. Ein gutes Unternehmensprofil hat ein „Wir” zu „Sie“- (oder „Ich” zu „Du“-) Verhältnis von 30:70.

Die Erzählung verfehlt durch Fachchinesisch ihre Wirkung

Wer viel Zeit in seine berufliche Aus- und Weiterbildung gesteckt hat, kann ein Lied davon singen, wie viel Energie alleine in das Erlernen der fachspezifischen Ausdrücke und Abkürzungen fließt. Das ist branchenunabhängig. Hinzu kommen die allgegenwärtigen Anglizismen.

Einmal verinnerlicht, bemerken wir kaum noch, dass wir unser Gegenüber damit inhaltlich abhängen. Jeder der schon einmal eine Gebrauchsanweisung für ein technisches Gerät gelesen hat weiß das. Damit dein Unternehmensprofil sich nicht liest wie ein Gesetzestext, eine medizinische Fachinformation oder eine Reparaturanleitung ist es hilfreich, auf Fachausdrücke oder Abkürzungen weitgehend zu verzichten. Ein Sprachgebrauch ähnlich der wörtlichen Rede schafft mehr Nähe zum Leser.

In manchen Branchen hält sich zwar hartnäckig die Auffassung, fachspezifischer Jargon sei ein Beleg für Kompetenz. Wenn du dich nur unter Deinesgleichen bewegst mag das auch stimmen, aber in den seltensten Fällen kennen sich die Kunden in deinem Fachgebiet so gut aus wie du. Sonst würden sie deine Dienstleistung oder dein Produkt kaum brauchen. Bleib also verständlich. Das schafft Vertrauen und als Bonus wirkst du authentischer. 

Geschichten werden mit Geschichte verwechselt

Erfahrung ist ein Qualitätskriterium. Wenn eine Firma oder ein Solopreneur bereits Jahrzehnte im Geschäft ist, läuft ganz offenbar vieles richtig. Diese Erfolge darzustellen ist Teil eines überzeugenden Unternehmensprofils. Aber: Eine Zeitleiste oder geschichtliche Abhandlung als Fließtext wird selten wahrgenommen. Hier werden Geschichten mit Geschichte verwechselt.
Du kannst deine Erfahrung aus der Vergangenheit wirkungsvoll in die Gegenwart holen,  indem du eine Erfolgsgeschichte erzählst, die emotional berührt. Dein Publikum möchte Beispiele hören, mit denen es sich identifizieren kann, z.B. von der Mutter deren Kind durch eine Behandlung gesund wird, oder von den Glücksmomenten einer gelungenen Hochzeitszeremonie, oder von der erfolgreich bestandenen Prüfung dank Nachhilfe. Wir glauben an das Erfolgskonzept, wenn es in uns positive Gefühle auslöst.  

Das Alleinstellungsmerkmal wird nicht deutlich oder fehlt

Auch wenn der Spruch eher aus der Psychologie kommt, er ist auch für die Wirtschaft wahr: „Wir sind alle einzigartig.“ Wer sich selbstständig macht oder ein Unternehmen gründet ist schon für den Businessplan gezwungen, sich mit seiner Alleinstellung zu befassen. Was ist meine Nische? Worin bin ich besonders gut? Was unterscheidet mich von der Konkurrenz? Manchmal liegt die Antwort nicht sofort auf der Hand, aber sie ist der Schlüssel zur Entscheidung für oder gegen mein Produkt oder meine Dienstleistung. Es lohnt also, intensiv darüber nachzudenken. Wenn mir als Leser des Profils nicht klar wird, warum ich bei A buchen sollte statt bei B, werde ich meinen eigenen Kriterien folgen. Das ist ein Risiko, das du nicht eingehen kannst. Erkläre deinem Publikum, warum es bei dir richtig ist und nirgendwo sonst.

Noch ein Tipp: Alleinstellungsmerkmale sind nur konkret formuliert überzeugend. „Bei uns steht der Patient im Mittelpunkt“ oder „Wir sind die Profis in Sachen Kinderwagen“ ist keine Alleinstellung, sondern ein – noch dazu austauschbarer – Marketing-Slogan. Wie wäre es damit: „Unsere Kinderwagen halten selbst ruppiges Gelände aus, weil wir eigens entwickelte Materialkombinationen einsetzen. Das gibt Ihnen das gute Gefühl, dass Ihre Kleinen sicher sind, egal wo Sie unterwegs sind.“

Zu viel Technik zu wenige Menschen

Wie würde dir ein Roman gefallen, der menschenleere Landschaften mit duzenden technischen Geräte beschreibt? Bleibst du dabei oder legst du ihn weg? Genau das passiert in vielen Unternehmensprofilen. Der Stolz über die eigene Technologie, Materialien und Substanzen dominiert die Erzählung.

Große Unternehmen entdecken gerade den Wert der Mitarbeiter als Führsprecher. Während es bislang den Pressestellen überlassen war öffentlich Stellung zu beziehen, können Mitarbeiter heute – insbesondere über digitale Plattformen wie Xing oder LinkedIn – ihre Unternehmenserfahrungen mit ihren Followern teilen. Sie werden so zu Influencern oder Advokaten mit VIP-Status. Warum das klappt? Weil wir über diese Personen in das Innere des Unternehmens vordringen und erleben, was sie erleben. Dadurch menschelt es, Fakten werden zu Geschichten. Als Solo-Preneur hast du es da fast einfacher. Sprich über deine persönlichen Erfahrungen innerhalb von Projekten, thematisiere wie du Herausforderungen meisterst.

Deine Technologie oder auch dein Coaching-Ansatz ist ein großartiges Werkzeug. In deinem Unternehmensprofil überzeugst du damit, wenn du aufzeigst, wie Menschen damit konkret geholfen werden kann, ihre Probleme zu lösen. Was kann ich mithilfe dieser Technik, das zuvor nicht möglich war? Du hast sicher Kunden, die gerne davon erzählen, wie deine Dienstleistung oder dein Produkt ihre spezielle Situation verändert hat. Nutze diese Geschichten, um Kopfkino auszulösen.
Dann hast du die Nuss Unternehmensprofil geknackt!

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Ich biete dir an, dein Profil kritisch unter die Lupe zu nehmen. Wenn du gerade begonnen hast eines zu erstellen und dir unsicher bist, ob du auf dem richtigen Weg bist, berate ich dich gerne oder helfe beim Texten! Nimm dazu gerne Kontakt auf.

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Im Gespräch mit Dr. Reimar Schlingensiepen über Unternehmensgründung

Mein heutiger Gesprächspartner ist viel in der Welt herumgekommen. Als Sohn eines Diplomaten verbrachte er seine Kindheit in Südeuropa, Südamerika und im Nahen Osten. Den klinischen Teil seines Medizinstudiums hat er in Frankreich und England absolviert. Die jeweilige Kultur hat er sich über die Sprache erschlossen, so dass er heute – teils fragmentarisch – 6 Sprachen spricht, am liebsten als Kauderwelsch. Die eigene Familie wurde in all dem Wandel zur Konstante. In Syrien und Griechenland erlebte er den Einfluss der Diktatur auf die Menschen. So lernte er die Demokratie noch mehr zu schätzen und kam mit einem veränderten Blick auf Deutschland zurück. Er verbindet damit Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und Kultur. Er stellt sich derzeit die Frage, ob es genug Menschen gibt, die diese Werte ausreichend schätzen, um sich für die Demokratie einzusetzen, die er – auf der ganzen Welt – durch Populisten unter Druck sieht. Dr. Reimar Schlingensiepen ist heute Coach und Unternehmensberater, Interim-Manager und CEO, besonders in den Bereichen Biotechnologie und Medizintechnik.

Wann wirst du als Berater zu Unternehmen hinzugezogen?

Eigentlich immer, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Denn erst, wenn die Hütte brennt, fällt irgendwem – meist einem Investor – mein Name ein. Gerne würde ich früher involviert, aber das wäre zu viel verlangt, weil es ja bis zur vollen Krise noch irgendwie funktioniert. Andererseits sind dann die Wege aus der Krise für alle viel besser spürbar und der Enthusiasmus ist größer. So macht die Arbeit noch mehr Freude, weil ich mehr bewegen kann.
In der Krise ist die Bereitschaft zu Änderungen größer.

Wie siehst du deine Rolle als Berater und wie gehst du vor?

Ich habe einmal mit einem Emeritusprofessor einer Universität im Badischen zusammengearbeitet, der eine eigene Firma gegründet hat. Der hat zu mir gesagt: „Hätte ich Sie nur vor 30 Jahren getroffen. Sie ordnen meinen Kopf mit all‘ seinen Ideen!“ Wenn mir das gelingt, freue ich mich natürlich riesig. Ich schaue mir das Produkt an – in meinem Bereich sind das ja meist Wirksubstanzen für die medizinische Anwendung. Dann sortiere ich, wo es einen Bedarf gibt und wie gut die Substanz in verschiedenen Bereichen abschneidet. Gibt es Anwendungsgebiete mit hohem Bedarf, weil es noch keine Therapien gibt? Gibt es überhaupt Interesse in der Industrie an dieser Therapie? Wie sind die Aussichten auf ein Patent? Können andere die Krankheit kostengünstiger behandeln? Wie schwierig, langwierig und teuer wird die Entwicklung sein? Es ist ein bisschen wie puzzeln. Ich gebe den Gründern verschiedene Mittel und Aspekte an die Hand, mit denen wir die vielen Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.

Bei der Priorisierung von Projekten helfen Scoring-Tabellen, mit denen wir Punkte für jeden Aspekt vergeben. Das hat bisher immer sehr gut funktioniert, vielleicht auch, weil ich den Markt seit vielen Jahren kenne und dementsprechend bei der Bewertung helfen kann.

Was sind die häufigsten Probleme, die du in Unternehmen – die dich zu Rate ziehen – identifizierst?

In allen Phasen der Unternehmensentwicklung ist die Suche nach Kapital ein großes Problem. In den USA wäre das einfacher, in Deutschland ist das schwierig. Dabei ist die Anfangsfinanzierung dank Fonds wie beispielsweise dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) gar nicht so schlecht. Die Schwierigkeiten beginnen für viele erst mit der Anschlussfinanzierung. Ich glaube, der Grund liegt in der Sorge um die fehlende sichere Rendite. Wir hinken in dem Verständnis von Start-up-Finanzierungen den USA mehrere Jahrzehnte hinterher. Dort schaut ein Investor auf sein Portfolio und ist zufrieden, wenn sich von seinen 10 Firmen, 6 lateral bewegen und 1 Diamant herauskristallisiert. In Deutschland neigen wir dazu uns auf die 3 zu konzentrieren, die es vielleicht nicht schaffen werden. Wir sehen also eher das Risiko anstatt der Chance. Daher heißt Venture Capital bei uns auch nicht Wagnis-, sondern Risikokapital. Durch die Erfolgsgeschichte von Biontech beispielsweise verändert sich aber auch bei uns inzwischen das Verständnis.

Es ist aber auch so, dass die Projekte oft so unstrukturiert sind oder sich in die falsche Richtung entwickeln, dass alles auf den Kopf gestellt werden muss, bevor das Projekt überhaupt für die Geldgeber interessant ist.

Auch werden fast immer zu viele Projekte verfolgt. Wer mehrere Hasen jagt, fängt keinen. Wenn wir gemeinsam schauen, wo die Forschung/das Produkt am aussichtsreichsten und der Bedarf am größten ist, kristallisiert sich schnell heraus, was zu tun ist. Dabei erkennt der Wissenschaftler – der geschult ist vorrangig wissenschaftlichen Interessen nachzugehen – dass Priorisierung auf das wirtschaftlich Sinnvolle unumgänglich ist. Das ist halt leider nicht immer das spannendste Projekt. Außerdem kommt nach der hoffentlich aufregenden Forschung noch die jahrelange Entwicklung, also die Fleißarbeit. Die Ausgangssituation ist meist, dass die Firma mit begrenzten finanziellen Mitteln das erste Projekt meistern muss, oder zumindest so weit Fortschritt sichtbar wird, dass der Investor erstmalig oder noch einmal investiert.

Und schließlich gibt es auch noch die Probleme auf der Personalebene. Ein befreundeter Wirtschaftspsychologe hat mir einmal gesagt: „Auch ein gestörtes System ist ein in sich funktionierendes System.“ Das hat mir die Augen für meine Arbeit in manchen Unternehmen geöffnet. Die größte Herausforderung als Berater ist es, in ein Systeme einzugreifen, in dem wesentliche Beteiligte zwar Besserung wollen, aber das System an sich nicht angetastet werden darf, getreu dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Da sind oft Egos am Werk, die ihre Rolle spielen wollen, die dem Unternehmen aber überhaupt nicht gut tut. Da muss man, wenn man Veränderung herbeiführen will, schon sehr sperrig sein.

Wir haben gerade über Investoren gesprochen. Womit steigen denn die Chancen, dass ein Unternehmen anschlussfinanziert wird?

Da geht es zu 50% um das Produkt, das neu und einzigartig ist. Im Falle der Unternehmen, die ich betreue heißt das, es bringt einen medizinischen Nutzen, sei es durch bessere Therapie oder weniger Kosten bei gleicher Wirksamkeit. Dann ist es die Klarheit in der Kommunikation mit dem Investor, damit dieser die Alleinstellung auch sieht. Und die andere Hälfte ist das Vertrauen in die Person des Unternehmers selbst. Ein schlechtes Produkt wird niemand auf den Markt entwickeln können, aber ein gutes Projekt zu versenken, das schafft notfalls jeder. Der Investor sollte also dem Unternehmer zutrauen, das Projekt über die Ziellinie zu führen.

Wie gelingt denn ein gutes Miteinander von Unternehmer und Investor?

Das Wichtigste ist zu verstehen, wo jede der beiden Parteien herkommt. Die Sorgen, Pflichten und Möglichkeiten der anderen Seite zu verstehen hilft sehr, Spannungen zu vermeiden. Gibt es Probleme, dann ist es hilfreich die Positionen beider Seiten zu betrachten, damit konstruktive Lösungswege gesucht werden können. Wenn nicht auf der einen oder anderen Seite ein unüberwindliches Ego sitzt, kann die Zusammenarbeit sehr harmonisch sein. Der Grund für die Haltung des einen, sollte sich dem anderen erschließen, weil nur so Verständnis aufkommt und ein Konsens gefunden werden kann. Am Ende sitzen doch alle im selben Boot und wollen den Erfolg. Mein Vorteil ist, dass ich mich als dritter, unbeteiligter Partner oft einfacher in die Positionen der Parteien hineinversetzen kann und mir Probleme leichter kommuniziert werden.

Gibt es ein wiederkehrendes Thema, das dir speziell bei Unternehmensgründungen auffällt?

Es gibt tatsächlich ein Thema, das überall mit drin steckt: Furcht. Genauer: Die Furcht vor der falschen Entscheidung, weswegen sie lieber nicht gefällt wird. Falsche oder keine Entscheidungen aus Angst vor den wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Konsequenzen, aber auch die Furcht vor den Geldgebern, und so weiter. Ich beobachte, dass diejenigen, von denen eine Entscheidung erwartet wird, sich ihrer Furcht oft gar nicht bewusst sind, im Gegenteil! Sie halten sich sogar selbst für unerschrockene Kämpfer. Die Furcht ist der Elefant im Raum, während sich die Beteiligten im Disput ergehen.

Man muss Gründern aber auch zugutehalten, dass sie alles zum ersten Mal machen. Sie werden in Schule und Universität in keiner Weise darauf vorbereitet, was es heißt, ein Unternehmen zu gründen – was noch einfach ist – gemessen daran es zu führen und zu entwickeln. Wem soll das denn nicht Respekt einflößen?

“Mein Job ist, Menschen in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zu treffen.”

Also mit Kriterien aber auch damit, ihnen vor Augen zu führen, welche Konsequenz eine Entscheidung, vor allem aber eine Nicht-Entscheidung haben kann. Was ich im Übrigen den Gründern im Umgang mit ihren Mitarbeitern auch mitgebe: Baue auf das Können deiner Mitarbeiter, entwickle sie weiter, damit sie über sich hinauswachsen und dich noch besser entlasten können! Nur so kommt das Unternehmen vom Fleck.

Was müsste sich Deiner Meinung nach ändern, damit Gründer nicht ganz so ins kalte Wasser gestoßen werden?

Eigentlich müsste es in allen Studiengängen Module zur Selbstständigkeit und zur Führung von Menschen geben. Egal, ob ich als Linguist ein Übersetzungsbüro gründe oder mich als Mediziner niederlassen will, ob ich in der Uni oder einer Firma ein Team leiten muss, dieses Wissen bräuchte jeder. Aber unsere Lehranstalten sind fast ausschließlich auf akademisches Wissen ausgerichtet. Klassisches Beispiel sind die Lehrer, denen 12 Semester Fachwissen eingebläut wird, sie aber ohne pädagogische Ausbildung mit Schülern umgehen können sollen. Oder eben der Gründer, der laut Gesetz ab der ersten Sekunde „kaufmännische Sorgfalt“ walten lassen muss. So muss jeder von uns ohne hilfreiches Vorwissen die Fehler der anderen wiederholen. Das ist schon schade.

“Wenn alle wüssten, dass Führungswissen und Unternehmertum nicht nur für Gründer, sondern für uns alle wichtig ist, wäre die Akzeptanz vielleicht höher.” 

Gibt es gängige Mythen, Glaubenssätze oder Erwartungen von Gründern, mit denen Du gerne aufräumen möchtest?

Viele Gründer meinen, dass die Welt ganz ungeduldig auf das Produkt wartet, dass Investoren sich kaum bändigen können, ihr Unternehmen zu finanzieren. Und schließlich: Dass es ohne den Gründer niemals auf Dauer laufen wird. Letzteres ist aber nur der Fall, wenn der Gründer sich fortwährend weiterentwickelt und mit dem Unternehmen und der Verantwortung wächst. Das ist einerseits der große Reiz, andererseits verlangt es den Menschen viel ab. Als ich das erste Mal Geschäftsführer wurde, sagte mir ein Mitarbeiter mit langjähriger Pharmaerfahrung nach einiger Zeit, dass er anfangs über meinen Mangel an Führungswissen beunruhigt war, dann aber gesehen hat, dass ich mich den Aufgaben gestellt habe, also mit der Zeit den Aufgaben immer mehr gewachsen war. Das war ein tolles Kompliment.

Gründern mangelt es zu Beginn der Tätigkeit oft an der Augenhöhe mit Verhandlungspartnern. Wie verschafft man sich als Gründer Respekt?

Problemlösungen schaffen Respekt. Oft gibt es im Managementteam jemanden, der den Geldgebern fortwährend von den aktuellen Problemchen berichtet, statt erst einmal selbst an der Lösung zu arbeiten. Das schafft nichts als Unruhe und Zweifel am Managementteam. Es ist eine schwierige Balance, den Zeitpunkt zu finden, bis zu dem die Unternehmer das Problem erst einmal aus der Welt schaffen sollten und ab wann sie z.B. die Investoren hinzuziehen sollten. Diese Kompetenz zu stärken ist einer meiner Schwerpunkte. Es ist damit wie Gehen lernen, „von Fall zu Fall“. Mit jedem gelösten Problem wächst das Vertrauen, dass ich es kann. Hier hilft also vor allem die Praxis und eben der Mut zur Entscheidung.

Was ist deine Lieblingsfrage, die du in Unternehmen stellst?

„Was verlieren wir, wenn wir das versuchen?“ Ich erlebe es sehr häufig, dass ich auf Widerstände stoße, weil „ein bestimmter Punkt sowieso von den Verhandlungspartnern abgelehnt werden wird“. Die Wahrheit aber ist, dass wir in den meisten Fällen nichts verlieren, sondern schlimmstenfalls nichts, meist aber wenigstens etwas gewinnen. Dann doch lieber machen! Ein Beispiel: Es gab Drittmittel für ein Projekt, in dem alle Schritte bereits erfolgt waren, ein weiterer Mittelabruf also nicht möglich war. Im Topf waren aber noch mehrere hunderttausend Euro. Ich habe also gesagt: „Warum fragen wir nicht, ob wir die umwidmen können?“ Fast schon mitleidig wurde mir beschieden: „Das können wir nicht! Das wird sowieso abgelehnt. Wir kennen uns da aus“. Also habe ich gefragt, was wir verlieren, wenn wir es versuchen? Schließlich haben wir gefragt und die Förderstelle war begeistert von unseren Ideen. Selbstverständlich haben wir das Geld bekommen. Also einfach versuchen und nicht von vorne herein ein Projekt zum Scheitern verurteilen, indem ich sage „da gibt es keine Chance, ich versuche das nicht!“Aus meiner Erfahrung heraus tritt der „worst case“ fast nie ein, der Versuch lohnt also immer.

Gibt es eine Art Fahrplan für erfolgreiche Unternehmensgründung? Was wären Punkte, die Du in eine solche Roadmap unbedingt hineinschreiben würdest, um gängige Fehler oder Probleme zu vermeiden?

Da gibt es keine Schablone, aber ein paar grundsätzliche Tipps: Bei der Gründung sollte man wirklich nur den Personen Anteile geben, von denen man weiß, dass sie wichtig sind und vor allem dabei bleiben werden. Wenn Mitgründer sich früh operativ verabschieden, bleiben sie trotzdem über ihre Anteile am Erfolg beteiligt. Das kann die verbleibende Mannschaft durchaus verbittern. Das habe ich öfter gesehen. Besser ist es, verbindlich Anteile in Aussicht zu stellen, wenn klar ist, dass das Team gemeinsam durch dick und dünn geht und sich versteht. Nach der Gründung ist es die Diskussions- und Streitkultur, die dem Fortschritt und der Problemlösung dienen muss. Sonst ist sie nur destruktiv und führt zum Stillstand. Ich erlebe immer wieder, wie viel Potenzial und Arbeitskraft ich bei den Personen freisetzen kann, wenn sie aufhören, ohne Fortschritt zu streiten und mit Schuldzuweisungen aufhören, einfach, weil Probleme angegangen und beseitigt werden. Glaube mir, die Leute schlafen dann auch wieder besser.

Welche Eigenschaften sollte ein Unternehmensgründer deiner Meinung nach mitbringen und welche Fähigkeiten wären gut sich anzueignen, wenn das Abenteuer gelingen soll?

Bescheidenheit insofern, als der Gründer selbst nur einen Teil der Aufgaben lösen kann. Anders ausgedrückt: Vertrauen in fähige Mitarbeiter zu haben und die Fähigkeit, diese zu motivieren mit einem zusammenzuarbeiten.

Außerdem: Das eigene Tun in Frage zu stellen und einen besseren Weg zu suchen, wenn es nicht richtig weitergeht. Das setzt voraus, dass ich in einem Umfeld agiere, das offene Diskussion und Kritik zulässt. Dann sollte ich auch den Mut haben, eine falsche Entscheidung zuzugeben und Korrekturen vorzunehmen.

Transparenz und Ehrlichkeit sind besonders entscheidend, wenn sich Strategien ändern, damit diese auch nachvollziehbar sind.

Es braucht den Willen nicht still zu stehen, Spaß an der Veränderung, Mut zur Konfrontation und die Bereitschaft sich von Lieblingsprojekten zu verabschieden, wenn sie nicht zum Erfolg der Firma beitragen. Klingt vielleicht einfach, ist es aber nicht.

“Dafür gibt es die Aussicht auf einen niemals langweiligen Job und darauf, sein eigener Chef zu sein und vor allem vielleicht etwas Gutes mit den Produkten zu bewirken. Also etwas zu hinterlassen, was es ohne einen nicht gegeben hätte.”

In Deutschland haben wir keine Kultur des erfolgreichen Scheiterns. In USA ist das anders. Hast Du aus Deiner Erfahrung heraus den Eindruck, dass gescheiterte Unternehmer in Deutschland wieder auf die Beine kommen? Anders gefragt: Gibt es in Deutschland genug Gründergeist?

Wenn man den Statistiken trauen darf, nimmt der Gründergeist ab. Aber ob dem wirklich so ist, weiß ich nicht. Es heißt ja auch oft, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit nähmen ab. Ich bemühe mich immer nach Kräften, diese trostlosen Aussichten am eigenen Leibe nachzuvollziehen und treffe auf so viele nette, hilfsbereite Menschen in allen Teilen Deutschlands und anderen Ländern. Und so hoffe ich auch, dass der Gründergeist doch besser ist, als es die Demoskopen unken. Denn ohne ihn gäbe es auf Dauer keine Zukunft. Dass der gescheiterte Gründer beim nächsten Versuch Entscheidendes besser macht, ist sicherlich richtig. Daher bleibt nur zu hoffen, dass er in Deutschland wertgeschätzt wird. Ich denke, ganz so schlimm wie vor 10 oder 20 Jahren ist das auch nicht mehr. Wenn die Persönlichkeit stimmt, wird es eine zweite Chance geben.

Was sind deine wichtigsten Tipps für Menschen, die mit der Selbstständigkeit liebäugeln, sich aber nicht trauen, den ersten Schritt zu tun?

Zuerst sollte die Gründerin oder der Gründer schauen, ob das Produkt etwas ist, das wirklich gebraucht wird. Also: gibt es einen ausreichenden Markt? Dann schauen, ob es erfahrene Gründer gibt, mit denen das Unterfangen durchgesprochen werden kann. Wenn es niemanden interessiert, sollte ich in mich gehen… Aber in der Regel wird es Interesse geben mit hilfreichen Tipps, Adressen aus dem Netzwerk, z.B. von Geldgebern und so weiter. Das Gründen selbst ist ja nicht so schwierig. Darüber hinaus gibt es ja auch ausreichend Gründungsprogramme wie Go-Bio oder m4-award. Einen Businessplan sollte ich frühzeitig erstellen und zwar nicht nur für Investoren, sondern auch für mich selbst. Dann wird mir klar, wie viel Geld, welche Zeit, welches Team es braucht, welchen Wettbewerb es gibt, bevor ich den Traum verwirklichen kann. Wenn alles passt, dann sollte gegründet werden. Notfalls muss das Projekt auch scheitern dürfen. In der GmbH ist das auch nicht der Weltuntergang. Wenn ich formale Dinge beachte, gilt ja die «beschränkte Haftung», eben damit Menschen sich leichter trauen, zu gründen. Manchmal merken angehende Gründer auch, dass sie doch lieber an der Universität bleiben und niemanden finden, der für sie die Unternehmensführung übernehmen will. Dann wird es das schöne Produkt nie geben. Aber das ist dann eben auch gut überlegt und in sich richtig. Denn Unternehmen gründen und Gründer/-in sein fordert ganz und gar.

Vorgestellt – Dr. Reimar Schlingensiepen

Dr. Reimar Schlingensiepen, Themeos Unternehmensberatung, ist Arzt mit 30 Jahren Erfahrung in der Medizin und der biopharmazeutischen Industrie und Medizintechnik, sowohl als Gründer und Manager zahlreicher Unternehmen, als auch als Studienarzt und in der Notfallmedizin. Er ist als Interimmanager, (Interim-)CEO, Coach und Unternehmensberater in der pharmazeutischen Industrie tätig. Schwerpunkte sind Unternehmensführung, Krisenmanagement, klinische und präklinische Forschung & Entwicklung, Verhandlungen, Mitarbeiterführung sowie Lehre und wissenschaftliche Vorträge.

Dr. Schlingensiepen ist per Mail erreichbar unter info@themeos.de.

Die Themeos Unternehmensberatung im WWW: https://themeos.de/

Dieses Interview ist Teil meiner Serie “Im Gespräch mit…” von und für Menschen die inspirieren, vernetzen, verändern und eine positive Einstellung ins Leben tragen.

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Im Gespräch mit Sascha Jillich über Bäume

Mein heutiger Gesprächspartner ist schon sein ganzes Leben hindurch unkonventionell. Im Kindergarten mithilfe der Bäume über den Zaun geklettert, verbringt er Stunden in der freien Natur. Schule war dem eigenen Vernehmen nach nichts für ihn. Der Schulabschluss nach der 10. Klasse ist mit dem Vater abgesprochen, der ihm auch sonst alle Freiheiten lässt. Nach der Ausbildung zum Forstwirt arbeitet er 10 Jahre im Wald – eine Zeit, die ihn gut auf seine Zukunft vorbereitet, denn heute weiß er oft schon beim Blick auf den Baum von außen, wie es in ihm aussieht.

Er durchquert gemeinsam mit seiner Freundin auf einer HPN (Geländemotorrad) den afrikanischen Kontinent gleich mehrfach. Von seiner Anstellung bei der Deutschen Bahn lässt er sich für diese Leidenschaft  häufiger freistellen, ebenso wie für die Weiterbildung zum Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung. Heute ist Sascha öffentlich bestellter Sachverständiger und unterrichtet als Dozent an der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg.

Sascha, du hattest bei der Deutschen Bahn einen sicheren Job mit vielen Freiheiten. Warum bist du dort gegangen?

Das ist meiner Spontanität geschuldet. Ich war für die Streckenpflege zuständig, also Baumfällungen, die jahrelang vernachlässigt worden waren. Entsprechend kam es zu Zwischenfällen. Ich hatte die Aufgabe ein schwieriges Projekt zu leiten, für das hohe Summen veranschlagt waren. Diese Aufgabe habe ich nicht nur zur vollsten Zufriedenheit erledigt, sondern habe dabei knapp 50% des Budgets eingespart, bei dem es um einen mittleren 6-stelligen Betrag ging. Ich war der Ansicht, dass mir dafür ein Bonus zusteht. Man hat mir an einem Freitag mitgeteilt, dass dieser Bonus nicht gewährt wird. Für mich hängt die Belohnung der Leistung ganz stark mit der Motivation zusammen. Ich wusste nach dieser Entscheidung, dass ich dort keine Zukunft habe. Am darauffolgenden Montag habe ich per Fax gekündigt, auch weil ich der Auffassung bin, dass gute Leistung honoriert werden muss, egal ob als Arbeiter oder als Projektleiter.

Wie bist Du von der Streckenpflege zu den urbanen Bäumen gekommen?

Ich habe mich schon immer gefragt, warum manche Bäume krank werden und andere nicht. Ich hatte sehr viele Fragen dieser Art, die ich mit mir herumtrug, weil sie niemand beantworten konnte. Nachdem ich von der Bahn weggegangen war habe ich geschaut, dass ich endlich Antworten auf all diese Fragen bekomme. So bin ich zum Studium der Arboristik in Göttingen gekommen. Ein Orchideenstudiengang, den es deutschlandweit nur einmal gibt und zu dem nur 40 Studenten pro Semester zugelassen werden. In diesem Studiengang lernt man kurz gesagt das Management des urbanen Grüns. Arboristen kümmern sich um die Aufrechterhaltung der Funktion einzelner Bäume im städtischen Raum unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Ansprüche (wie z.B. Verkehrssicherheit).

Was leistet ein städtischer Baum?

Stell dir eine Stadt ohne Bäume vor, das ist doch gruselig! Bäume übernehmen  vielfältige Funktionen: Gerade im urbanen Raum haben wir noch große, alte Bäume die auch Schäden aufweisen. Diese Schäden bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten, die dadurch im urbanen Raum Unterschlupf finden. Gerade in den Städten haben wir häufig eine hohe Vielfalt an Baumgattungen, die bewusst gewählt ist. Daher ist im urbanen Raum die Biodiversität (=Artenvielfalt) sehr viel höher als im Forst! Eine Stadt mit Bäumen weist außerdem ein deutlich besseres Klima auf, sowie bessere Luftqualität und selbst die Temperatur ist messbar niedriger, was bei unseren inzwischen heißen Sommern einen deutlichen Unterschied macht. Bäume übernehmen also sowohl gestalterische als auch ökologische Aufgaben.

Es gibt im Übrigen viele Richtlinien und Normen die Bäume im urbanen Raum schützen und es obliegt den Kommunen, dies konsequent umzusetzen. Hier gibt es natürlich unterschiedliche Herangehensweisen.

Zu früheren Zeiten wurde unter Bäumen Gericht gehalten oder auch Feste gefeiert. Wodurch denkst du ist diese zentrale Bedeutung verlorengegangen?

“Ich glaube die Naturverbundenheit unserer Gesellschaft hat generell sehr gelitten. Außerdem ist grundlegendes Wissen oft nicht mehr vorhanden und kann so auch nicht weitergegeben werden.” – Sascha Jillich

Hier nur ein Beispiel für die Art der Entfremdung die ich erlebe: Ich war neulich in einem Park zur Baumbegutachtung und konnte beobachten, wie ein kleiner Junge auf eine am Boden liegende stachelige Kapsel der Rosskastanienfrucht deutete. Er wollte von seinem Vater wissen was das ist. Dieser zuckte mit den Schultern und antwortete: „Wahrscheinlich eine Stachelbeere.“

Was sind die wesentlichen Ursachen dafür, dass es dem urbanen Baum nicht gut geht?

Bäume brauchen Wasser und davon bekommen sie durch den Klimawandel zu wenig. Unsere heißen Sommer setzen den Bäumen sehr zu. Hinzu kommt, dass im städtischen Bereich viele Flächen versiegelt und verdichtet wurden. Das führt dazu, dass der Regen der fällt schlecht in den Boden eindringen kann und oberflächlich abfließt. Das heißt, die Bäume können – selbst bei Starkregen – kaum vom Wasser profitieren. Dies führt zu Trockenstress. Über mehrere Jahre hinweg macht das die Bäume anfällig für Schwächeparasiten, die letztlich Krankheiten auslösen. Das ist vergleichbar mit der Situation beim Menschen. Gestresst sind auch wir sehr viel anfälliger für Krankheiten. Bäume erkranken häufig an Pilzinfektionen. Pilze haben verschiedene Strategien, um Bäume zu infizieren. Bei einem gesunden Baum geht das z.B. über Wunden, etwa nach Astabriss. Bei einem geschwächten Baum kann der Pilz durch die Rinde eindringen. Und schließlich gibt es auch noch Pilze die eigentlich „friedlich“ mit dem Baum zusammenleben und Aufgaben wie beispielsweise die Astreinigung übernehmen. Wenn die Abwehrbereitschaft des Baumes abnimmt, dann werden selbst diese Pilzarten zum Problem.

Kommunizieren Bäume miteinander?

Bäume sondern Stresshormone ab, die von anderen Bäumen wahrgenommen werden können. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Schirmakazien in Afrika. Wenn diese von Giraffen angefressen werden, sondern sie ein Hormon (ein Ethylen) ab, das von den umliegenden Bäumen in Windrichtung wahrgenommen wird. Diese produzieren dann Bitterstoffe für ihre Blätter, so dass sie ungenießbar werden. Nur: Giraffen haben den Trick inzwischen raus und laufen einfach gegen den Wind. Dann greift diese Strategie nicht mehr.

Was würdest du dir für den urbanen Baum wünschen?

Die Standortvorbereitung ist extrem wichtig. Es kommt also nicht nur darauf an einen geeigneten Baum zu pflanzen, es muss auch dafür gesorgt werden, dass der Boden für diesen Baum gute Bedingungen aufweist, damit er gedeihen kann. Ich kann beobachten, dass Kommunen verstärkt ihr Augenmerk darauflegen und entsprechend investieren. Es braucht zum Beispiel ein Substrat, das sich der Baum mit seinem Wurzelwerk überhaupt erschließen und feine Wurzeln bilden kann. Außerdem sind Bewässerungssysteme notwendig, gerade beim Wassermangel den wir in den letzten Jahren erlebt haben. Dies ist für Kommunen allerdings eine Herausforderung, denn wir reden von einem erheblichen Kostenfaktor. Ein guter Baumstandort mit entsprechender Bewässerung kostet teilweise über 10.000 Euro, da ist der Baum noch gar nicht mitgerechnet. Aber diese Investition lohnt sich, denn ein kranker Baum ist ein Pflegefall – um z.B. die Verkehrssicherheit zu erhalten – und das kostet dann noch viel mehr.

Ist es deiner Meinung nach sinnvoll den Forst nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten und hat unser Wald ein Problem?

Wir brauchen ein Mischkonzept aus Wirtschaftswald und Flächen, die der ökologischen Funktion gerecht werden. Es ist sinnvoll das Holz das wir verarbeiten lokal zu produzieren, schon alleine deshalb, weil die Transportwege dann kurz sind. Außerdem ist der Wald ein nachwachsender Rohstoff der CObindet. Ich würde nicht sagen der Wald in Deutschland hat ein Problem – der Anteil der Bewaldungsfläche ist in den letzten 30 Jahren, in denen ich das Geschehen beobachte, konstant bei rund 30% geblieben – aber die einzelnen Baumarten haben ein Problem. Ich sehe voraus, dass sich der Wald in der Artenzusammensetzung verändern wird. Denn Bäume haben ein entscheidendes Problem, sie sind zwar bei langsamen Veränderungen sehr anpassungsfähig, aber die schnellen Veränderungen, die durch den Klimawandel erzeugt werden, können Fichte, Buche und Co. nur sehr schwer kompensieren.

Unsere Probleme werden natürlich durch die Monokultur noch verstärk, aber man darf auch nicht vergessen, dass diese teilweise historisch bedingt ist, denn nach dem Krieg wurde viel Bauholz gebraucht. Und – was viele nicht wissen – wir haben einen Teil unserer Reparationszahlungen in Holz geleistet.

Was ist für dich der richtige Weg in die Zukunft?

Da sich die Auswirkungen des Wandels im Klima wahrscheinlich noch stärker zeigen werden, müssen wir mehr wagen: Ausprobieren, welche Baumarten bei uns zurechtkommen. Das gilt für den urbanen Bereich genauso wie für den Forst. Das müssen nicht unbedingt einheimische Bäume sein, sondern solche – z.B. aus Nordamerika oder dem Kaukasus – die an die Klimabedingungen, die bei uns zukünftig vorherrschen werden, besser angepasst sind. Der Vorteil des urbanen Raums gegenüber dem Forst ist, dass wir dort schon jetzt eine höhere Artenvielfalt haben. Wichtig ist, dass wir das Konzept Baum 4.0 schnell umsetzen, denn kurzfristige Lösungen wird es beim Baumbestand nicht geben.

Du hast als Lehrkraft eine besondere Vortragstechnik – Wie bindest du deine Zuhörer?

Vorträge oder Weiterbildungen müssen zwei Voraussetzungen erfüllen:

  1. Wer sich langweilt, schaltet ab. Ich muss also meine Zuhörer fesseln.
  2. Mein Publikum muss inhaltlich folgen können. Wer nur „Bahnhof“ versteht, driftet weg.

Ich habe zu Beginn zwei bis drei Minuten, in denen ich die volle Aufmerksamkeit auf mich lenken muss. Mir gelingt dies, indem ich etwas tue, was unerwartet ist. So rieseln mir schon mal Ahornblätter aus der Hose, während ich den Hörsaal betrete. Damit habe ich einen Aufhänger, um über die Entstehung der Herbstlaubfarben zu sprechen. Aber auch hier doziere ich nicht, sondern ich binde mein Publikum ein, indem ich Fragen stelle, möglichst an eine konkrete Person.

Oft bringe ich auch Exponate mit und handle daran eine bestimmte Fragestellung ab. Dabei wird das „Klassengehirn“ freigeschaltet, das im Kollektiv die Aufgabe löst. Mitmachen oder Mitdenken ist hier das Zauberwort. Dies fördere ich zum Beispiel auch, indem ich bewusst Fehler in meine Präsentationen einbaue, Fotos der falschen Baumart oder eines anderen Pilzes, als der, um den es gerade geht. Diese Fehler aufzudecken macht meinen Schülern Spaß.

“Ich erziehe meine Zuhörer dazu, nicht nur selbstständig sondern auch systemisch zu denken. Das facht Begeisterungsfähigkeit für das Thema an.”

Nicht in der Theorie zu verhaften, sondern möglichst viel der eigenen praktischen Erfahrung einfließen zu lassen ist sehr hilfreich. Damit bleiben meine Zuhörer aufmerksam.

Was war deine Motivation dich selbstständig zu machen?

Das war reiner Zufall! Ich mag Zustände nicht, die stagnieren. Alles muss einem Wechsel unterliegen, auch der Job. Ich hatte die Gelegenheit in das Betätigungsfeld des Baumgutachters hinein zu schnuppern und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich entschieden habe meine Zeit in der Anstellung zu reduzieren und parallel erste Aufträge anzunehmen. Ich hatte damit die Absicherung des Gehalts aus der Festanstellung und konnte mich ausprobieren.

Was ist dein Erfolgskonzept, denn du betreibst kein Marketing und kannst dich – inzwischen selbstständig in Vollzeit – vor Aufträgen nicht retten?

Ich verweigere mich der Werbung nicht, ich habe schlichtweg keine Zeit dafür, weil ich mich darauf konzentriere mein Kerngeschäft zu erledigen. Fakt ist: Die Kunden finden mich. Da ich jetzt schon kaum hinterherkomme wäre Marketing kontraproduktiv, da ich mehr Aufträge gar nicht annehmen kann. Ich lebe von der Mundpropaganda, die wohl deshalb so gut ausfällt, weil ich einen sehr hohen Anspruch an meine eigene Arbeitsqualität habe. Meine Texte sind (hoffentlich) fehlerfrei und meine Schlussfolgerungen sind grundsätzlich nachvollziehbar und allgemeinverständlich. Meine Gutachten haben, so scheint es, auch einen hohen Unterhaltungswert, denn mir wurde schon zugetragen, dass sie sogar über die Weihnachtsfeiertage gelesen werden.

Mir ist auch der Punkt Ehrlichkeit gegenüber den Kunden sehr wichtig. Ich kann ohne Probleme nach einer Begutachtung sagen: „Die Situation kann ich jetzt noch nicht zu 100% einschätzen, dazu möchte ich mich gerne noch einmal beraten oder alle Einzelheiten überdenken.“ Das kommt sehr gut an, denn eine schnelle Lösung verursacht meist hohe Kosten und/oder bedeutet den Verlust des Baumes.

Ich bin vom Typus her eher emotional. Damit lebe ich, auch mit den Konsequenzen. Manchmal kommt mir das aber auch zugute, zum Beispiel bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. Da sage ich auch schon mal „Liebe Nachbarn, es geht hier um ein paar Büsche! Schaut euch an, wo euch das jetzt schon hingebracht hat, da ihr gerade erst hierhergezogen seid. Wie soll das denn weitergehen? Wo steht ihr in 10 Jahren? Schießt ihr dann mit scharfer Munition aufeinander? Bedenkt, dass ihr noch viele Jahrzehnte miteinander in Frieden leben wollt.“  Dann mache ich einen Kompromiss-Vorschlag. Oft zeigt das Wirkung.

Deine Nische definiert sich durch deine sehr spezifische Kenntnis die du dir im Laufe der Jahre angeeignet hast und sicherlich auch über den Preis, denn deine Qualität muss der Kunde sich leisten können. Hast du einen Hinweis für Selbständige, die ihre Nische noch nicht gefunden haben?

Ich finde es ist sehr nützlich früh im Leben damit zu beginnen sich auszuprobieren. Nur so finde ich heraus was Spaß macht, was gut ankommt und auch, was nicht funktioniert. Es ist ein bisschen wie Versuch und Irrtum.

„Einfach machen“ hilft auch. Manchmal ergibt sich die Nische erst über die Zeit. Zu Beginn bietet man vielleicht ein breiteres Arbeitsfeld an und reduziert dann auf das was am Besten zu einem selbst und dem angestrebten Kundenkreis passt. So hat es zumindest für mich funktioniert. Was nicht heißt, dass das Angebot innerhalb dieser Nische nicht breit gefächert sein darf. Zu schmal in den Leistungen unterwegs zu sein kann sich negativ auf den Erfolg auswirken.

Was war oder ist deine größte Herausforderung als Selbstständiger? Wie gehst du damit um? Was ist dein Tipp für andere Selbstständige?

Ich gehe mit der Herausforderung offenbar schlecht um, denn mir war zwar bewusst, dass meine Arbeitsbelastung zu hoch ist, denn ich habe über ein halbes Jahr 7 Tage die Woche gearbeitet. Aber es hat mir Spaß gemacht und mein Portemonnaie gefüllt. Es hat etwas Beruhigendes zu wissen, dass Geld kein limitierender Faktor ist. Aber Zeit kann man nicht kaufen.

Ich habe über diese Süße und den Spaß an der Sache die Warnschüsse meines Körpers übersehen oder ich habe sie nicht deuten können. Die Schwierigkeit besteht darin, die Balance zu finden zwischen dem Bedürfnis des Körpers nach Erholung und dem Bedürfnis gute Kunden zufrieden zu stellen. Ich weiß jetzt, dass ich reduzieren muss, aber wie das in der Ausgestaltung aussieht, kann ich noch nicht sagen. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass ich Partner finde, mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, damit wir die Aufträge auf mehrere Schultern verteilen können.

Mein Fazit für Selbstständige ist also: Es wird sich nicht vermeiden lassen selbst-und-ständig zu arbeiten, die „Welle zu reiten“, aber jeder muss für sich einen Weg finden die „Life-Work-Balance“ aufrecht zu erhalten. An der eigenen Einstellung zu arbeiten hilft hier sehr. Ich habe mich über den halben freien Sonntag ab 16 Uhr gefreut. Rückblickend hätte ich mir gewünscht, vorher zu merken, dass da etwas nicht mehr rund läuft. Aber dazu hat mir die Erfahrung gefehlt. Erfahrung heißt es, ist die „Summe aller Irrtümer“. Jetzt habe ich diese Erfahrung gemacht und gehe anders mit meiner Situation um, denn Qualität ist mir nach wie vor wichtig und auch Zeit ist ein Qualitätsfaktor.

Vorgestellt – Sascha Jillich

Mein Gesprächspartner heute war Sascha Jillich, der seit 6 Jahren als öffentlich bestellter Sachverständiger selbstständig ist. Nach einer Ausbildung zum Forstwirt sowie einer Weiterbildung zum Fachagrarwirt für Baumpflege hat er Arboristik in Göttingen studiert. Er unterrichtet als Dozent an der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg angehende Fachagrarwirte für Baumpflege.

Sascha ist zu erreichen unter jillich@baumuntersuchung.eu.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite von Urban Tree Consulting.

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Dieses Interview ist Teil meiner Serie “Im Gespräch mit…” in der ich Menschen mit außergewöhnlichen Lebenswegen befrage, damit wir an ihren Einsichten und Inspirationen im eigenen  Business wachsen können.  Wenn Du jemanden aus Deinem Netzwerk vorschlagen möchtest, dessen Stimme gehört werden sollte, dann schreibe mich gerne an!